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Nichts für die Massen - Oriol Balaguer

Marke: Oriol Balaguer Markenmacher: Oriol Balaguer

Marke: Oriol Balaguer

Markenmacher: Oriol Balaguer

Seine Schokoladenkreationen mit Aromen wie Safran, Trüffel oder Olivenöl gelten geschmacklich wie optisch als legendär: architektonisch anmutende Gebilde, die auf der Zunge zergehen und die Geschmacksnerven herausfordern. Nachdem Oriol Balaguer als Chef-Patissier jahrelang im elBulli den letzten Menügang kredenzte, machte er sich 2002 selbständig und feilt seither kontinuierlich an seiner eigenen Marke. So experimentierfreudig er in seinen kulinarischen Kreationen ist, so unverändert und beständig bleiben die Zutaten für den Erfolg seiner eigenen Marke: Neugierde, Leidenschaft und sehr viel Sorgfalt.

Oriol Balaguer öffnet die Tür zu seiner Bäckerei an der Carrer de Mateu Benet in Barcelona: Er trägt graue Turnschuhe, Jeans und die typische weisse Kochweste. Auf seiner Nase ruht eine Brille, durch deren Gläser seine braunen, gutherzigen Augen fast etwas übergross aus dem Gesicht schauen. Schon beim Betreten des Geschäfts schwappt einem der warme Geruch dunkler, feiner Schokolade entgegen. Oriol schaut erwartungsvoll. «Riechen Sie das?» fragt er und macht eine Handbewegung, mit welcher er den schweren Duft zu seiner Nase schaufelt. Und dann lacht er und meint: «Ehrlich gesagt, ich selbst rieche es gar nicht mehr.»

Ich müsste mindestens zwei Wochen wegfahren, um den Duft der Schokolade überhaupt wieder als solchen wahrzunehmen. C’est la déformation professionelle!

Balaguers zweites Geschäft in Barcelona, an der Plaça Sant Gregori Taumaturg, wo seine Süssigkeiten wie Edelsteine in einer edlen Boutique präsentiert werden, dient nur dem Verkauf. Leute, die nicht tagtäglich mit Schokolade arbeiten, kommen aber sehr gerne wegen des Geruchs und der Backstuben-Atmosphäre in die Filiale an der Carrer de Mateu Benet. «Und weil man in die Küche sehen kann», sagt er und deutet nach hinten, wo hinter einer Glasscheibe ein paar kochbemützte Menschen bei der Arbeit sind. Die Küche hinter dem Laden ist sauber und funktional: überall Blech und Schüsseln, schwere Maschinen und grosse Kellen. Aus einer Maschine ragen zwei dicke Hahnen, aus denen literweise weisse und dunkle Schokolade fliesst. Der Schlaraffenlandeffekt bleibt in diesem industriellen Umfeld jedoch aus. Dies ändert sich aber just in der Sekunde, in welcher die hier produzierten Schokoladenkreationen im Mund verschwinden – und die Geschmacksnerven an der Nase herumführen. Besonders ausgefallen ist dabei die «Mazcleta», übersetzt «Feuerwerk». Es hält, was der Name verspricht: Die Schokolade bringt den Kopf regelrecht zum Knistern. Sofort fühlt man sich versetzt in die Zeit von «Pop Rocks»: Wer in den 80er Jahren gross geworden ist, erinnert sich vermutlich noch an die sogenannte Knallbrause, die hier, in dieser eleganten Version, als Erwachsener wieder vergnügt vertilgt werden darf. Die «Mazcleta» ist eine der meist verkauften Kreationen Balaguers. Gearbeitet wird unter anderem auch mit der Zitrusfrucht Yuku, Earl Grey Extrakten, und mit Fleur de Sel, und dies nicht, weil die Kombination aus süss und salzig noch jemanden überraschen würde, sondern, «weil Salz die Geschmacksnerven öffnet.»

Je ausgefallener und kreativer eine Kreation ist, umso kleiner wird die Zielgruppe.

Oriol Balaguer kann es sich leisten, auch für kleine Zielgruppen zu arbeiten, denn aus seinem Namen wurde längst eine Marke. Egal, was er kreiert, es findet immer Anklang. Nicht nur seine Zeit im legendären Team rund um Ferran Adrià im elBulli trug dazu bei, auch die Preise, die er immer wieder für seine Desserts gewinnt. Balaguers «Schokolade in acht Konsistenzen» wurde beispielsweise 2001 von einer Fachjury zum besten Dessert der Welt gewählt. Und im Auftrag der Modemarke «Comme des Garçons» bildete er sogar einmal ein Parfum des Hauses als Süssigkeit nach. Die Leidenschaft für sein Métier hegt er seit er denken kann:

Ich erinnere mich nicht daran, jemals etwas anderes gewollt zu haben, ich bin vermutlich dafür geboren, Patissier zu werden.

Aufgewachsen als Sohn eines Patissiers, ist das vielleicht auch nicht verwunderlich. Sein Bruder wählte denselben Beruf. «Meine Eltern lebten getrennt,» erzählt Balaguer. «Und mit meinem Vater verschwand aus unserem Haus auch diese Backstuben-Atmosphäre, die ich als Kind so liebte.» Als Jugendlicher reiste Oriol oft und gerne. Doch anstatt in den Städten nach Sehenswürdigkeiten oder Mädchen Ausschau zu halten, klapperte er sie lieber nach Backstuben und Patisserie-Geschäften ab. Immer mit dabei: sein kleines Notizbuch. «Das mache ich heute noch so», erzählt er und deutet hinter sich auf einen Heftstapel, auf dem ganz oben ein solches Notizbuch liegt.

Am meisten an meinem Beruf liebe ich die Freiheit, jeden Tag experimentieren und kreieren zu dürfen.

Sein Büro scheint nicht der Ort zu sein, wo er sich allzu lange aufhält. Es ist klein, quadratisch und grau, eine grelle Neonlampe spendet das Licht. Ein Regal voller Kochbücher, ein Pult, ein Computer, ein Stuhl und an der Wand ein paar futuristisch anmutende Bilder, denen man erst auf den zweiten oder dritten Blick ansieht, dass sie seine Boutiquen zeigen, die sich in Madrid, Tokyo und anderen Städten der Welt befinden. Die Architekten, die er für das Interieur seiner Boutiquen anfragte, wählte er aus, indem er sie fragte: «Hast du schon jemals einen Patisserie-Laden gebaut?» Und wenn die Antwort Nein war, war man eine Runde weiter. «Normale Leute hängen Bilder von ihrer Familie in ihr Büro, bei mir sind es meine Läden.» Er versucht ein Grinsen, doch dieser Business-Typ bekommt ihm nicht. Und als ob er selber wüsste, rollt er etwas näher an seinen Computer und zeigt stolz das Bild auf seinem Desktop-Hintergrund. «Hier, das sind meine zwei Söhne.» Ganz der Familienmensch, besuchen ihn seine beiden Söhne oft bei der Arbeit, so wie er und sein Bruder früher ihren Vater in der Backstube aufsuchten. Es scheint fast so, als wäre das Handwerk in dieser Familie nicht verloren. Nur beunruhigen ihn die Essgewohnheiten seines älteren Sohnes. Während der Kleine alles probiert, was ihm in die Finger kommt, mag der andere eigentlich nur eines: Pommes Frites.

  • Bilder: Gian Marco Castelberg
  • Text: Olivia El Sayed
  • Übersetzung: Tessa Pfenninger
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