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Hôtel Americano – ein Zuhause weg von zuhause

Marke: Hôtel Americano Markenmacher: Carlos Couturier

Marke: Hôtel Americano

Markenmacher: Carlos Couturier

Carlos Couturier, der Mitbegründer und kreative Kopf der mexikanischen Boutiquehotelkette «Grupo Habita», ist ein schönes Beispiel dafür, wie man aus einer zufällig hingeworfenen Idee eine Gelegenheit wahrnimmt und daraus mit konsequenter Haltung etwas Aussergewöhnliches schafft.

Carlos Couturier braucht man nicht zu sehen, um ihn wahrzunehmen.

Seine Präsenz manifestiert sich über ein Energiefeld, das sich auch ausserhalb der Sichtweite erstreckt. Man nimmt es als leichtes Vibrieren wahr. Oder als weitreichende Aura, für feinstofflich Orientierte. Zumindest hört man ihn. Seine Stimme ist tief, kratzig, unverkennbar. Auf einem schwarzen Bertoia-Outdoorstuhl auf der Terrasse des «Hôtel Americano» im New Yorker Galerien- und Künstlerviertel Chelsea sitzt er nicht einfach, sondern regiert. Führt sein kleines, stetig wachsendes Hotel-Imperium. Gibt hier einen laut kommentierten Handshake, dort einem Kellner leise Instruktionen.

Carlos Couturier ist der neue «King of Boutique Hotels». Gleich nach dem genredefinierenden Ian Schrager und Szene-Hoteliers wie André Balazs. Und das zunächst ohne Plan und ohne Absicht.

Unsere lateinamerikanische Kultur spürt man überall: Beim Service, beim Essen, bei der Hotelmusik. Egal wo wir sind, wir bleiben unserer Herkunft treu.

Er ist spät dran. Seine Assistentin hat Termine durcheinandergebracht, und in knapp drei Stunden hebt sein Flieger nach Mexico City ab. Doch Carlos Couturier, ganz Latin Gentleman, bleibt auch unter Zeitdruck zuvorkommend und die Ruhe selbst. Kein einziges Mal schaut er auf die Uhr. «Natürlich war ich bei diesem Projekt nervös», sagt er über das Hôtel Americano, sein elftes Hotel und das erste ausserhalb Mexikos.

«New Yorker sind kritisch und ungeduldig. Wer’s nicht auf Anhieb richtig macht, kann gleich wieder einpacken. Eine zweite Chance bekommt man hier nicht.» Die US-Hochglanzmagazine begeisterten sich jedoch nach der Eröffnung über die «Design Revolution», attestierten Couturiers Grupo Habita eine «beeindruckend hohe Design-Sensibilität» und setzten den Newcomer aus Mexiko ganz oben auf ihre Hot Lists. «Ich glaube», meint Couturier, «Hôtel Americano funktionert, weil wir uns dabei selber treu geblieben sind und uns auf keinen Fall anbiedern wollten.» Damit meint er, dass er als passionierter Sammler zeitgenössischer Kunst in Chelsea die richtige Umgebung gefunden, die Inneneinrichtung jedoch bewusst minimalistisch, fast kühl, gehalten hat, so wie eine noch unbestückte Galerie – «weil jede Art von Kunst im Hotel, das in der Nachbarschaft von international renommierten Galeristen wie Paul Kasmin und Gagosian liegt, nur peinlich wäre.» Und er meint damit auch, dass er mit seinen Ansprüchen an hochstehende Architektur und erstklassiges Design zwar gut nach New York passt, dabei seine lateinamerikanische Herkunft und Lebensfreude nicht etwa versteckt, sondern ganz selbstverständlich integriert.

Wir sind keine Trendsetter, kopieren aber auch niemanden. Was wir tun, ist konsequent unseren eigenen Weg gehen.

Couturier ist von Haus aus Zitrusfarmer.

Die ersten Lebensjahre verbrachte er in San Rafael, Veracruz, am Golf von Mexiko, umgeben von Orangenplantagen seiner Familie. Die Finca aus dem 19. Jahrhundert seiner aus Frankreich nach Mexiko ausgewanderten Grosseltern gehört heute zu Couturiers Hotelkette. Die «Maison Couturier» ist ein Gasthaus wie aus dem Bilderbuch – die materialisierte Städter-Fantasie einfachen, dennoch luxuriösen Landlebens. Später, «ich war etwa sieben», zog die Familie Couturier nach Puebla, einer pittoresken Stadt aus dem 16. Jahrhundert etwa 130 Kilometer südöstlich von Mexiko-Stadt. Aus einer ehemaligen Wasserreingungsanlage aus dem 19. Jahrhundert hat Couturier im historischen Kern des Kolonialstädtchens das Hotel «La Purificadora» geschaffen. Modernes Design des inzwischen verstorbenen Architekten und Barragán-Schülers Ricardo Legorreta trifft auf historisches Industriegemäuer. Das ist die Seele der Grupo Habita: Zu jedem einzelnen Hotel hat Couturier eine persönliche Beziehung. «Es ist wie mit einer Familie», meint er. «Man zieht die Kinder mit viel Liebe gross, muss jedem ganz viel Aufmerksam schenken, freut sich an ihnen und erlebt auch ganz viel Ärger.»

Bei einem Hotel der Grupo Habita spielt nicht nur das Interior Design eine wichtige Rolle: Ästhetik, Architektur, Grafik, Musik, alles spielt zusammen und ergibt etwas Einzigartiges.

Auf die Idee, ein Hotel zu bauen, kam Carlos Couturier durch Zufall.

«Zunächst suchte ich in Mexico City für unser Zitrus-Business Bürolokalitäten», erzählt Couturier, sonnengebräunt und adrett in blütenweissen Hosen, T-Shirt, Sneakers und kontrastreichem, indigoblauen Blazer. Sein Studienkollege Moises Micha, ein Investmentbanker, half ihm dabei. «Und plötzlich war ich Besitzer eines wunderschönen alten Hauses im Stadteil Polanco.» Auf eins folgten mehrere. Micha und Couturier bauten zusammen ein Immobilienportfolio auf. Die renovierten Häuser vermieteten sie an ausländische Businessleute. «Die Wirtschaft in Mexiko blühte zu dieser Zeit auf. Es kamen viele Ausländer, die Geschäfte machen wollten», erinnert sich Couturier. Und die waren offenbar von den stilvoll renoviertern Häusern begeistert. «Viele fragten uns, ob es denn nicht so etwas Ähnliches geben würde, ein Hotel, wo sie ihre internationalen Besucher unterbringen könnten. Also bauten Moises und ich eins.»

Image ist extrem wichtig. Jedes Detail muss stimmen. Ein unmotivierter Kellner, und sei es nur ein einziger, kann das ganze Erlebnis, das wir vermitteln wollen, zunichte machen.

Das «Hotel Habita» – der Name ist eine Abkürzung von ‘habitación’, spanisch für Zimmer – wurde 2000 in Polanco eröffnet. Eine schwebende Glasbox mit 36 Zimmern entworfen vom renommierten mexikanischen Architekten Enrique Norten. «Rückblickend ein ziemlich romantisches Unterfangen», lacht Couturier – auch nach langer Plauderzeit noch immer ohne wahrnehmbaren Zeitdruck. «Wir wollten ganz einfach ein Zuhause weg von zuhause schaffen. Ein Ort, wo auch wir gerne Gäste wären.» Dass keine externe Firma die operative Führung des neuen Boutiquehotels übernehmen wollte, damit hatten die Neulinge nicht gerechnet. «Wir seien zu klein und damit kein gutes Geschäft», erinnert sich Couturier an die Absagen. «So mussten wir alles selber machen.» Damals gab es kein einziges Boutiquehotel in Mexiko und ganz Lateinamerika: «Mexiko City hatte ein schlechtes Image, die Stadt galt als chaotisch, schmutzig und gefährlich. Unser Hotel sollte eine Oase werden, wo man sich wohl und sicher fühlen konnte. Und ein Ort, wo sich Gäste aus dem Ausland auch mit Einheimischen treffen konnten.» Dass daraus ein Hipster-Hangout werden sollte, war nicht geplant: «Es steckte unsere persönliche Leidenschaft dahinter, und wir verliessen uns auf nichts Anderes als unseren Instinkt.»

Zu Beginn ignorierten uns die Medien. Und dann waren wir plötzlich auf dem Cover von ‘Condé Nast Traveler’ und wurden als ‘mexikanisches Wunder’ bezeichnet.

Wenn eine gute Idee auf richtiges Timing trifft, ergibt das eine starke Zündung.

Die Eröffnung des «Hotel Habita» fiel in die Zeit als mexikanische Regisseure wie Alfonso Cuarón (Y Tu Mamá También) und Alejandro González Iñárritu (Amores Perros) mit ihren Stars Gabriel García Bernal und Diego Luna international für Aufsehen sorgten. Dazu kam eine innovative Kunstszene rund um den Künstler Gabriel Orozco und Galeristen wie Monica Manzutto. In Mexiko City blubberte eine Aufbruchstimmung – «Hotel Habita» mittendrin. «Wir hatten soviel Erfolg damit, dass wir gleich ein zweites Stadthotel, das «Condesa df» im Condesa-Viertel und unser erstes Beachresort «Básico» in Playa del Carmen umsetzten», erzählt Couturier.

Heute ist die Gruppe mit 13 Hotels – zwei weitere sind in Planung – ein bunter Mix aus urbanen Hangouts und relaxten Beachresorts, ausgezeichnet mit zig Design-Preisen. So unterschiedlich sie sind: allen gemeinsam ist die hohe qualitative Substanz, die sich von der Architektur über das Design bis zum Service hin durchzieht.

Jedes unserer Hotels ist ein verlängerter Teil seiner Umgebung. Es geht uns darum, Authentiziät zu schaffen. So haben wir mit dem ‘Boca Chica’ in Acapulco seine ursprüngliche 1950er Seele wieder zurückgegeben.

Nur noch zwei Stunden bis zum Abflug – die Fahrt zum Flughafen dauert eine Stunde, mindestens.

Carlos Couturier lässt sich unbeirrt für die Fotos aufs Dach kommandieren, vor den Eingang, in die Lobby. Posiert für die Kamera, tippt ein paar SMS, erzählt von der Neueröffnung des Habita-Luxus-Camping-Resorts «Endémico» in Baja California, «mit dem Auto gut von Los Angeles aus erreichbar». Und dann plötzlich ist er weg. Hat sich wie von Zauberhand aus einem kräftigen Händedruck in Nichts aufgelöst. Zurück bleiben die energischen Couturier-Vibes, die neben sanften Bossa Nova-Klängen in der Lobby weiterschwingen.

  • Bilder: Reto Caduff
  • Text: Simone Ott
  • Übersetzung: Tessa Pfenninger
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