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Mutterland: Ein bisschen Feinkost, ein bisschen Tante-Emma

Marke: Mutterland Markenmacher: Jan Schawe

Marke: Mutterland

Markenmacher: Jan Schawe

«Was ich bin? Designer und Delikatessenhändler.» Vielleicht sollte Schawe dazu sagen: Geschickter Markenmacher und Geschäftsmann, charmanter Überzeugungstäter. Innerhalb kürzester Zeit hat der 38-Jährige den Feinkostladen und die Marke Mutterland etabliert. «Die deutsche Antwort auf Dean & Deluca», lobte die Zeitschrift Elle in einem Hamburg-Cityguide.

Mutterland liegt hinterm Hauptbahnhof. Nur wenige Meter vom U-Bahn-Schacht entfernt, von den regenbogenbeflaggten Cafés der Langen Reihe, vom Schauspielhaus und vom Hansaplatz, auf dem die Call-Girls – trotz Verbots – auf Freier warten. Erhaben sieht es aus, das alte Kontorhaus, erbaut vor 100 Jahren, dessen Eckladen im Erdgeschoss Jan Schawe als Stammsitz für seinen Delikatessenladen auserwählte. Das war 2007 und es war ein wagemutiges Experiment, fanden viele. Ein Feinkostladen in Bahnhofsnähe? In einem heruntergekommenem Gebäude, in dem die meisten Läden leer standen? Doch schon zwei Jahre später wählte der deutsche Einzelhandelsverband das Geschäft zum «Store of the Year». Schawe eröffnete bald zwei weitere Läden, verkauft längst online.

Kein Wasser von den Fidschi-Inseln

Das Konzept: Regionalität, Qualität, Herzblut. Drei Jahre lang recherchierte Schawe, besuchte Manufakturen und Familienbetriebe. Bis er genügend Produkte zusammen hatte, um einen Laden zu bestücken.

Unser Konzept ist Made in Germany. Wir haben keine Marmelade aus Neuseeland und kein Wasser von den Fidschi-Inseln.

Schawe ist ein guter Verkäufer, das wird schnell klar: Er lächelt. Er strahlt. Und er schwärmt von Mutterland als sei der Laden nicht sein Arbeitsplatz, sondern ein gelebter Traum. «Mutterland, das steht für Heimat, für Regionales, für Kindheitserinnerungen, Qualität», sagt er und zeichnet mit seinen Worten en passant das Profil der von ihm entworfenen Marke. «Eine Vorzeigemutter ist fürsorglich, kocht zuhause und nicht mit Maggi, bringt die Kinder nicht zu McDonald’s.» Schawes eigene Mutter kommt immer wieder mal im Laden vorbei.

Meine Mutter ist meine härteste Kritikerin. Und sie hat immer Recht.

Muttis Pausenbrot und Kalter Hund

An den hohen Wänden stapeln sich Holzkästen zu Regalen, darin stehen ordentlich aufgereiht die Produkte – und zu jedem eine kurze Beschreibung.

«Jedes Produkt hat eine Geschichte», sagt Schawe. Das Chili-Chutney kommt aus Schleswig-Holstein: «Der Sohn eines Baumschulenbesitzers pflanzt alte Chili-Sorten an.» Gleich nebenan stehen edle Senfsoßen – zum Beispiel Edelkastanienhonig-Senfsauce oder Himbeersenf – hausgemacht vom Ehepaar Sierks. Ein paar Holzkisten weiter liegen handgefertigte Bruchschokolade, Lobkärtchen, Lakritzbonbons. Mit der Eigenmarke Mutterland sind nur Produkte gekennzeichnet, an deren Produktion Schawe beteiligt war. Und es gibt auch immer etwas fürs Auge: Geschenke werden liebevoll verpackt – in bedruckten Papierbeuteln, darauf steht je nach Anlass «Gute Besserung«, «Gratulation», «Verzeihung» oder «Es muss nicht immer Kaviar sein». Die Mitarbeiter nähen den Geschenkbeutel vor den Augen des Kunden mit einer Nähmaschine zu. Das ist mehr als viele Mütter tun würden. Für den kleinen Hunger steht im Kühlregal natürlich «Muttis Pausenbrot» – ehrlich und simpel, Vollkorn mit Käse. Und zum Kaffee gibt es frisch Gebackenes, zum Beispiel jüdischen Apfelkuchen oder Kalten Hund (aus Schokolade und selbst gebackenen Keksen) in drei verschiedenen Geschmacksrichtungen.

Die cremefarbene Variante heißt «Bootsmann», so wie Schawes ähnlichfarbiger Labrador.

«Bei uns kann sich jeder etwas Gutes tun.»

Im hinteren Ladenteil ist das Café. Die Tische sind schlicht, könnten glatt aus Muttis Küche stammen. Auf allen stehen Blumen, frisch gemahlener Pfeffer. In einem Regal: Kinderbücher. Pippi Langstrumpf, Hänsel und Gretel, «Mein Bärenbuch». Klassisch eben. Bedienung trägt eine beige Schürze, weißes Hemd, schwarze Hose. Aus den Lautsprechern klingt erst Amy Winehouse, dann Nouvelle Vague. Doch, was ist es nun, das Geheimnis von Mutterland? «Wir bauen keine Schwellenangst auf», sagt Schawe. «Die Mitarbeiter sind nicht schicker gekleidet als die Gäste. Gehen auf alle gleich freundlich zu.» Aber die Preise – das kann sich doch nicht jeder leisten? «Natürlich sind wir nicht der Markt für den Wochenendeinkauf. Aber wir haben auch kleine Produkte, den kleinen Luxus. Bei uns kann sich jeder etwas Gutes tun», sagt Schawe. Und wenn ein Konkurrent sein Konzept kopiert?

Es gibt nicht viele Wahnsinnige, die sich so viel Mühe machen wie wir!

Schawe arbeitet nicht mit Großhändlern, hat die meisten der über 200 Lieferanten persönlich besucht. Die Manufakturen müssen keine Werbekostenpauschalen zahlen, und auch nicht für die Platzierung der Produkte im Laden. «Wir begegnen den Lieferanten auf Augenhöhe und sind transparent in der Kalkulation», sagt Schawe. Und wenn das Etikett einer Marmelade nicht taugt, hilft der Designer schonmal nach. Aber nicht immer: «Kenner wissen: Wenn ich in einem Delikatessenladen ein Produkt mit einem schlechten Packaging sehe, kaufe ich es. Denn dann muss die Qualität wirklich exzellent sein!»

«Wir sind keine Kette.»

Schawe liebt sein Mutterland. Das wird klar, wenn er durch die Regalreihen führt und erzählt und erzählt, obwohl er eigentlich längst weg sein müsste, der Designer Schawe ist andernorts gefragt. Denn noch kann er von Mutterland nicht leben: «Jeder Euro wird reinvestiert.» Trotzdem lehnt er Franchise-Anfragen ab: «Wir sind keine Kette. Mutterland gehört zu Hamburg. Ich brauche ja auch kein Harrod’s außerhalb von London.»

  • Text: Karen Naundorf
  • Übersetzung: Tessa Pfenninger
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