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Verführung wiegt nur ein paar Gramm

Marke: Carine Gilson Markenmacher: Carine Gilson

Marke: Carine Gilson

Markenmacher: Carine Gilson

Die in Belgien geborene Designerin Carine Gilson entführt mit kostbarer Lyoner Seide und französischer Spitze aus Chantilly in eine Traumwelt: Ihre hauchdünnen, handbestickten Kreationen umwehen den weiblichen Körper in pfirsichfarbenen Tönen oder verzücken die Sinne mit himmlischem Türkis und betörendem Fuchsia. Fast scheint sich die verspielte Lingerie zu mokieren über die unausweichlich auftretende Unentschlossenheit eines jeden Betrachters: «Schauen Sie noch oder wollen Sie schon?» flüstert sie. Entscheiden aber geht nicht mehr.

Würde man Carine Gilson zufällig treffen und aus Verlegenheit, die zufällige Begegnungen manchmal mit sich bringen, Beruferraten spielen, lägen die Chancen relativ hoch, dass man sich vertippt. Umweltaktivistin, Jazzmusikerin, Landschaftsgärtnerin, dies die vorgefertigten Fettnäpfchen. Carine Gilson erscheint mit zerzaustem Haar, ungeschminkt, in Jeans und einem weissen Shirt, dem man ohne Etikettenspick nicht ansehen würde, ob es nun ein teures ist, das so sein muss oder ein normales, das so nicht mehr sein müsste. Sie hat viel zu tun und weiss eigentlich auch gar nicht genau, worum es geht, freut sich aber sichtlich über den Spontanbesuch in ihrem Brüsseler Atelier und auf die damit verbundenen Fragen. Beim Beantworten klopft sie mit den beturnschuhten Füssen unentwegt einen munteren Takt gegen das Schreibtischbein.

Der Weg zur Spitze

Es ist die Faszination für diese feine, durchbrochene Erscheinungsform der Spitze, die Carine Gilson schon früh ihren Weg offenbaren sollte. Von Kindsbeinen an war sie mit Stoffen, Borten und Bändern vertraut, denn ihre Mutter verdiente ihr Geld als Damenschneiderin. Auf dem Wohnzimmertisch fanden sich immer Nadel und Faden, Nähmuster, Knöpfe und Stoffe aller Art, die es nach der Schule ausführlich zu bestaunen galt. Carine beobachtete ihre Mutter oft bei der Arbeit, und ihr eigener Wunsch, einmal mit demselben Material zu arbeiten, wuchs mit jedem Tag.

Ich hege eine Leidenschaft für alles, was perfekt ist. Deshalb auch meine Liebe zu französischer Spitze.

Schneiderin zu sein war zur damaligen Zeit aber kein Beruf, den man sich für seine Tochter wünschte, denn es war keine angesehene Tätigkeit, sondern eine für Arbeiterinnen, dies zumindest die Meinung der Mutter. Doch Carine Gilson sah in nichts anderem eine Alternative und folgte ihrem Willen, studierte an der Kunstakademie in Antwerpen und arbeitete anschliessend als Freelancerin für verschiedene Pret-à-Porter Labels. Lange glücklich war sie damit jedoch nicht.

Mein Wesen könnte nicht unabhängiger sein, es war für mich nur natürlich, etwas Eigenes zu machen.

Mit 23 Jahren kaufte sie sich ihr eigenes Atelier und begann, damals noch unter dem Namen «Vanité», Lingerie zu produzieren. «Dieser Name gefiel mir, die Eitelkeit der Frau empfand ich stets als etwas sehr Starkes.» Doch viele Leute rieten ihr dazu, die Marke unter ihrem eigenen Namen zu vermarkten. «Unterwäsche mit meinem Namen? Das schien mir zu Anfang ein merkwürdiger Gedanke. Aber im Grunde ist es meine Inspiration, meine Essenz, mein Stil, da hatten die Leute schon recht, die mir das nahe legten.» Und so benannte sie ihr Unternehmen schliesslich doch nach sich selbst: Carine Gilson.

Eine Marke beabsichtigte ich nie zu schaffen, sondern ein Universum, das zum Träumen anregt.

Inspiration für die Markenwelt von Carine Gilson fand sie ursprünglich in der Mode der 30er Jahre, im Art Deco-Stil sowie im russischen Ballet. All das liess sie subtil in ihre Kreationen mit einfliessen. «Heute suche ich nicht mehr nach Inspiration, die Spitze an sich inspiriert mich schon genug.» Was nicht heisst, dass es nicht auch Menschen gibt, deren Lebenswerk Carine Gilson als Quelle der Inspiration sieht. So bewundert sie zum Beispiel Madame Grès, eine der grössten Couturières der Modegeschichte, die für ihre römisch anmutenden, fliessenden Gewänder berühmt war, in die sich Frauen wie Marlene Dietrich, Greta Garbo und Jacqueline Kennedy hüllten. Und auch der Einfluss der eigenen Mutter ist ihr bewusst: «Wir haben nicht viele Gemeinsamkeiten, aber die Liebe für gut gemachte Arbeit verbindet uns. Es ist meine Mutter, die mich dazu inspiriert, in meiner Arbeit stets nach Perfektion zu streben.»

Carine im Wunderland

So märchenhaft und verspielt die Lingerie von Carine Gilson daherkommen mag, hinter dem Teil der Marke, der für die Aussenwelt ersichtlich ist, stecken auch viele Ungereimtheiten, die mit der Abgerundetheit von Märchen nur wenig zu tun haben. Carine Gilson gesteht sich selbst ein, «eigentlich das Gegenteil von dem zu sein, was meine Marke suggeriert.»

Es ist das Paradoxe am Künstlerdasein. Wir müssen hart arbeiten, damit die anderen träumen können.

Dass das Verkaufen von Träumen viel Arbeit und persönliches Engagement erfordert, war ihr von Anfang an bewusst, deshalb ist für sie das Ausleben der eigenen Träume aktuell kein Thema, sondern etwas, was sie sich für später aufhebt. Nicht, dass ihr die verträumten Märchenwelten voller Verführung und Neugierde fremd wären, es ist das, wovon auch eine Carine Gilson selbst träumt, und das jeden Tag sehr gerne, wie sie mit amüsiertem Blick erzählt. Vor allem, wenn sie nicht arbeite, obwohl das so oft auch nicht vorkomme, denn «wenn ich nicht arbeite, analysiere ich meine Arbeit, ich plane und studiere daran herum.

Aber vor allem hinterfrage ich mich, so oft es nur geht.» Das ist ein schwieriger Prozess, wenn man ihn ernst nimmt: «Wenn ich mich und meine Arbeit immer und immer wieder in Frage stelle, garantiert mir das nicht den Erfolg, aber es bestätigt mich in meinem Glauben an den Erfolg meiner Ideen.»

Es ist die Grundvoraussetzung für Erfolg, dass man an seine Ideen glaubt.

Und das tut offensichtlich nicht nur sie, denn mit ihrer Lingerie ist Carine Gilson regelmässig in der VOGUE vertreten und verkauft ihre Kreationen - deren Kilopreis nur unwesentlich tiefer liegen dürfte als derjenige von Gold - in Brüssel, Paris und ab September auch in London. Überrascht ob der fortgeschrittenen Zeit lacht Carine Gilson plötzlich auf, kramt nach einer Visitenkarte, streicht den darauf vorhandenen Namen durch, schreibt ihren eigenen drüber und streckt in einer Emsigkeit die Karte von sich, dass ihre Haare wie elektrisiert um den Kopf fliegen.

In der anderen Hand klingelt das Handy und Carine Gilson verabschiedet sich mit einer Herzlichkeit, wie sie spontane Begegnungen nur ganz selten mit sich bringen.

  • Bilder: Gian Marco Castelberg
  • Text: Olivia El Sayed
  • Übersetzung: Tessa Pfenninger
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