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«Stil kann man lernen, Geschmack nicht.»

Marke: Edsor Kronen Markenmacher: Jan-Henrik M. Scheper-Stuke

Marke: Edsor Kronen

Markenmacher: Jan-Henrik M. Scheper-Stuke

Bereits über hundert Jahre alt ist die Tradition dieser Marke: 1909 wurde sie unter dem Namen «Kronenmarke» aus der Faszination für Aristokratie heraus gegründet.

Ab 1911 war sie gar Haus- und Hoflieferant des Kaisers Wilhelm II. Die beiden Weltkriege erschwerten ihren Werdegang: Kaum erwachte in den 20er Jahren das Bedürfnis, Kleiderkultur zu leben, wurde es vom darauffolgenden Krieg wieder verdrängt. Überflüssig die Folgen im Detail zu nennen: Danach Marken mit deutschem Namen etablieren zu wollen war mehr als schwer. Edward Windsor diente daher als Inspiration – nicht nur für die die Marke nährende Ideologie, sondern auch für ihren Namen: Aus den ersten zwei und den letzen drei Buchstaben des Gentlemans der 50er und 60er Jahre entstand der fiktive Markenname Edsor.

Im Innenhof der traditionsreichen Hackeschen Höfe tippeln elegant bestrumpfte Promibeine neben nobel beschuhten Herrenfüssen über das blau beleuchtete Kopfsteinpflaster. Ein paar lokale Glanzlichter umschwirren die runden Tischchen, die vor dem neu eröffneten Edsor Flagship Store stehen, Kameras klicken, und es klirrt das Eis in den gereichten Cocktailgläsern, während sich Jan-Henrik M. Scheper-Stuke nach unzählig geschüttelten Händen seinen Weg vom roten Teppich durch die Menge ins Licht bahnt.

Nicht nur er, das Aushängeschild der Marke, spricht zu diesem Anlass ein paar Worte, sondern auch Dr. Philipp Rösler, Bundesminister für Wirtschaft und Technologie, gibt sich die Ehre und betont in seiner Rede die Wichtigkeit von Familienbetrieben in der heutigen Zeit. Ein Toast, Musik und der Abend nimmt seinen Lauf. Ein weiterer Schritt in der langen Markengeschichte von Edsor. Zum Interview trafen wir den Jungunternehmer einen Tag zuvor in der Manufaktur selbst. Diese findet sich in einem fast schon provozierend unauffälligen Hinterhof in Kreuzberg. Ein paar Treppenstufen über Boden, im Wartezimmer und Showroom, spürt man die Erlebniswelt der Marke dann jedoch deutlich. Sie haftet förmlich an den WMF Vasen und flüstert aus den alten Schränken und Kommoden, die den Raum definieren. An der Wand zieren zwei Pferdeköpfe in Silber die Mauer, in ihren Mündern hauseigene Krawatten. Daneben ein Sofa, auf dessen dunkelrotem Bezug sich ein paar müde Sonnenstrahlen, die sich früher an diesem Tag ihren Weg durch die hohen Fenster gebahnt haben, ausruhen. Noch ist es unbesetzt. Nach einer halben Stunde eilt uns ein junger Mann entgegen, blass wie ein Spannbettlaken und offensichtlich etwas angeschlagen begrüsst er uns, dies aber wider Erwarten sprudelnd eloquent. Er benötigt nur ein paar Sekunden, um uns eine vollumfängliche Erklärung, einem Syntaxfeuerwerk gleich, zu liefern, die mehr als verständlich macht, warum er es nicht früher schaffte. Vor lauter Überraschung, dass aus dem müden Gesicht so viele Worte kommen, kann man sich den Inhalt der Erklärung ohne Nachfragen dann aber doch nicht so recht merken. Schleife zu eng gebunden, keine Luft mehr, zu viel gearbeitet, seit zwei Jahren ununterbrochen, so musste es ja kommen, bis eben im Krankenhaus, nun aber weiter, morgen die Eröffnung - ein Wasser? Nachhaken geht nicht, denn Jan-Henrik M. Scheper-Stuke ist schon wieder drei Schritte weiter. Für die Verspätung entschuldigt er sich so vornehm, dass man sich schon fast schämt, die offensichtlich immer etwas zu knapp bemessene Zeit des jungen Herrn in Anspruch zu nehmen. Nach einem kurzen, aber freundlichen Hallo in den Nebenraum, wo sich noch einige Mitarbeiter aufhalten, erzählt er über das, was sein Leben bestimmt: Die Marke Edsor und deren Entwicklung.

Ich hatte niemals diesen Drang zu rebellieren. Ich hätte gar nicht gewusst, was ich sonst hätte machen sollen. Drogen fand ich anstrengend und nicht ansprechend. Nicht der Beste sein zu wollen lag bei uns nicht drin, und Mittelmass fand ich immer doof.

«Mein Vater hatte einen eigenen landwirtschaftlichen Betrieb, den jetzt einer meiner Brüder übernommen hat. Er lebt für die Jagd, für die Schweine- und Rinderzucht», erzählt er. «Das ist schön, aber nicht meine Welt. Wie der liebe Gott will, gab es auch diesen anderen Teil der Familie, der sich der Ästhetik verschrieben hatte. Das hat dann auch komplett mein Interesse geweckt.» Schon während seiner Zeit im Internat war Jan-Henrik anders – statt des Binders, den damals alle tragen mussten, band er sich aus demselben Stoff eine Schleife. Und aufgrund der langjährigen Tradition und dem Hintergrund seiner Familie war und blieb er auch der einzige, dem dies gestattet wurde. Seither sieht man ihn selten ohne Schleife. «Dementsprechend lebe ich seit diesem Zeitpunkt eigentlich schon unsere Marke.» Knapp war seine Zeit schon immer, «gereicht hat es aber dennoch für alles.» Schülerpräsident und Fachschaftsratvorsitzender, von Haus aus gelernter Bankbetriebswirt - immer vorne, immer rechtzeitig und noch keine Dreissig.

Ich habe keine Angst vor dem Alter. Wer nicht älter werden will, will auch die Entwicklung nicht sehen.

Definitiv zum Luxusgut («Hätte ich Zeit, würde ich wieder mehr Golf spielen. Und das nicht schlecht.») wurde seine Zeit dann, als er sich dazu entschloss, mit der Marke einen neuen Kurs einzuschlagen: das Gute gut zu lassen und das Verstaubte zu entstauben.

Und seine Strategie: Selbst zum Markenbotschafter zu werden und das mit Haut und Haar. So ist es er selbst, der von den Plakatwänden und Broschüren blickt («Die feinen Gesichtszüge habe ich von meiner Mutter geerbt.»), er, der sich der kompletten Kommunikation annimmt und die Marke zum international gefragten Nischenprodukt führen will.

Wenn die Marke einmal verbrannt ist, braucht man mindestens fünf Jahre, um sie wieder herzustellen.

Günther H. Stelly, sein Patenonkel und ehemaliger Geschäftsführer des Betriebs, führte den ambitionierten Jüngling in das Manufakturleben ein. 2010 bereits übernahm er dann die Position des Geschäftsführers, während Günther H. Stelly seinen Posten als Chef-Designer nach wie vor innehält und sich für die über dreitausend jährlich kreierten Stoffmuster verantwortlich zeigt. Es ist inzwischen kurz vor drei: Die Verspätung hat zur Folge, dass viele der Mitarbeitenden nicht mehr anwesend sind. Viel wird in der Manufaktur noch von Heimarbeitern erledigt, die um die Mittagszeit ihre Sachen abholen oder zugestellt bekommen, so dass es nun in der Mitte dieses Nachmittags schon sehr still ist. Jan-Henrik Scheper-Stuke greift zum Telefon, das auf dem Art Déco Tischchen steht. Dass sich hier alle siezen, fällt zunächst gar nicht auf.

Es gibt ein viel verbindlicheres Sie als ein gewolltes Du. Es erzeugt einen respektvolleren Umgang miteinander.

Adrett gekämmt, die Kleidung selbstverständlich knitter- und einwandfrei, von Kopf bis Fuss auf Aristokratie eingestellt, würde ein Du auch fast zu jovial wirken. Was dann aber doch ins Auge sticht – oder einfach nur von konsistenter Erlebniswelt zeugt – ist die Beschriftung des Telefons. Selbst die Tasten sind alle nach dem Schema Frau/Herr plus Nachname beschriftet.

Er wählt die Taste «Frau Hartmann». «Frau Hartmann, hallo, ich bin es. Sie wollten grade gehen? – Mhm. Meinen Sie, Sie könnten den Herrschaften noch etwas zeigen?» Wir winken ab. Er winkt zurück. Mit seiner feinen Hand verdeckt er die Hörmuschel und raunt uns zu: «Sie macht alles für mich, keine Sorge.» Ein wenig wirkt er, als hätte er sich selbst erfunden. Oben im Atelier schneidert Frau Hartmann in feinster Handarbeit geduldig eine Krawatte vor. Sie wirkt, als könnte sie’s auch mit geschlossenen Augen. Pro Jahr realisiert die Manufaktur Edsor Kronen zwei exklusive Kollektionen, für welche seit jeher ausschliesslich feinste italienische Seide verarbeitet wird. Als Jan-Henrik telefonierend hinter ein paar bunten Stoffballen verschwindet, lächelt sie und sagt: «Es ist schon alles ein bisschen hektischer geworden seit er hier ist.» Und dann schneidert sie ruhig weiter.

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