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Trotzen Wind und Wetter: FREITAG Taschen

Marke: FREITAG Markenmacher: Markus und Daniel Freitag

Marke: FREITAG

Markenmacher: Markus und Daniel Freitag

Seit 1993 produziert und vertreibt FREITAG robuste Taschen und Accessoires aus recycelten Materialien: abgasgegerbte LKW-Planen, ausrangierte Fahrradschläuche, Autogurte und Airbags werden in der Manufaktur, die sich über die Jahre vom Studentenatelier zu einem Unternehmen mit inzwischen über 120 Mitarbeitern gemausert hat, wiederverwertet und zu neuen Produkten verarbeitet. Seit kurzem wird die Marke von einem neuen Standort aus geführt.

Aufgewachsen in einem von den Eltern eigenhändig renovierten Bauernhaus am Waldrand verbrachten Markus und Daniel Freitag schon von Kindsbeinen an viel Zeit in ihrer eigenen Werkstatt, suchten in der Alteisensammlung nach Schätzen, denen sie später neues Leben einhauchten, bauten Flosse und Seifenkisten und teilten nicht nur das handwerkliche Geschick, sondern auch ungezählte Ideen. Nach ihren Ausbildungen zum Dekorationsgestalter und Grafiker sassen sie an grauen Regentagen in ihrer WG-Küche und sahen auf die Transitstrecke vor ihrem Fenster – dort das kühle Zürcher Industriequartier und vorbeidonnernde Lastwagen im Sekundentakt.

Transformation auf mehreren Ebenen

Ob diese märchenhaft anmutende Geschichte Teil der Markenstory oder tatsächlich die Inspiration für die begehrten wasserfesten Objekte ist, spielt eigentlich keine Rolle. Fest steht, dass die Marke FREITAG sich während der letzten 18 Jahre im Gleichschritt mit ihren Gründern entwickelt hat. Diese wurden von Designern zu Unternehmern, trugen die Bekanntheit ihrer Marke über die helvetischen Grenzen und liessen einer geordneten Struktur den Vortritt vor dem studentisch angehauchten Chaos.

Schubladen-Denken ist uns beiden fremd. Und genauso ist es mit der Marke FREITAG auch, die passt auch nirgends richtig rein. Das ist gut.

Neben der Eröffnung von Flagship-Stores in New York und Tokio wird mit dem Umzug in eine riesige Produktionshalle mit über 3000 Quadratmetern nun wieder ein neues Kapitel aufgeschlagen.

«Was die Expansion der Räumlichkeiten anbelangt, haben wir über die Jahre gelernt, dass wir uns stark mit ihnen entwickeln und schon irgendwie hineinwachsen werden», sagt Daniel. Die stetige Transformation an sich, die ein Unternehmen wie FREITAG mit sich bringt, verursacht auch bei Markus keine schlaflosen Nächte. «Es ist vielmehr eine Einsicht, die uns immer begleitet und aus welcher sich sogar eine Theorie formulieren lässt: Designer sind die besseren Unternehmer.» Und diesem Beispiel versuchen Markus und Daniel gerecht zu werden. Nicht aber auf eigene Faust, sondern indem sie seit 10 Jahren auch einen CEO beschäftigen, seit dem Frühjahr 2010 ist dies Monika Walser. «An dieses Modell glauben wir», sagt Markus und fügt an:

Wenn es um eine Marke geht, darf der Creative Director auf der höchsten Ebene nicht fehlen.

Der Glaube an das nächste Leben von Dingen

Mit dem Umzug wird die Transformation der Marke nach aussen stärker kommuniziert und sichtbar. Was bei FREITAG jedoch jeglichem Wandel trotzt, sind die Kernwerte der Marke, mit welchen sie der Zeit und dem neuen Ökologieverständnis voraus waren: Dazu zählen der Glaube an das nächste Leben von Dingen, das Bewusstsein, in der Stadt zuhause zu sein und die Überzeugung, dass FREITAG Produkte über eine hohe Funktionalität verfügen müssen.

Wir reden erst über Dinge, wenn wir sie erreicht haben statt uns in visionären Zukunftsplänen zu verlieren. Was wir sicher beibehalten werden, sind die Werte, für die FREITAG steht.

«Alles, was seit jeher wesentlicher Bestandteil von FREITAG ist, wurde irgendwann zum Thema. Es ging um Individualität. Dann um den «used look». Dann wollten selbst Autos grün werden – und wir waren all das schon immer» fügt Markus an.

Was auch immer nun als nächstes für ein Revival anstehen wird, ich glaube Freitag hatte immer schon ein, zwei Antworten auf die Bedürfnisse der Zeit parat.

Ebenfalls unverändert ist die Herstellung geblieben, auch wenn sich die Produktpalette über die Jahre erweitert hat und mit der «Reference Kollektion» optisch ein neuer Weg eingeschlagen wurde.

Die LKW-Planen landen zunächst auf einem grossen Tisch, wo Ösen und Nieten entfernt und die Planen in kleinere Stücke geschnitten werden. In wuchtigen, laut summenden Waschmaschinen werden sie dann gewaschen. Die sauberen Planen werden ausgelegt und nach Muster, Farben und Dicke geordnet und aufgerollt. In einem nächsten Arbeitsschritt schneiden die «Bag Designer» mittels Schablonen die passenden Teile aus der Plane, bevor diese zur Tasche zusammengenäht werden.

Da keine zwei Taschen gleich aussehen, wird jedes Endprodukt fotografiert, das Bild auf die Verpackung geklebt und für den Verkauft aufbereitet.

Inspirationsquelle Japan

Der Charme abgewetzter Eleganz fasziniert die Brüder gleichermassen. Dies wiederspiegelt sich nicht nur in ihren Produkten, sondern auch in ihrem Lebensstil. Während Markus in einem 400 Jahre alten Haus am See wohnt, betreibt Daniel im Moment «urbanes Camping», wie er schmunzelnd erzählt. Er lebt in einer alten Schreinerwerkstatt, die auch schon anderthalb Jahrhunderte auf dem Buckel hat. Um dem Ganzen einen «cleanen Moment» entgegenzuhalten, setzt er bei der Inneneinrichtung auch auf japanisches Design.

Seit die beiden 1998 zum ersten Mal in Japan waren, hegen Markus und Daniel eine Leidenschaft für das dortige Design.

Ich mag die Verspieltheit des japanischen Designs. Es ist schön, wenn man es sich leisten kann, einen gewissen Spielwitz in Objekte einzubauen.

Weiter nennt Markus den hohen Qualitätsanspruch und die Zeitlosigkeit der japanischen Ästhetik. Und vor lauter Begeisterung fallen die Brüder einander erstmals ins Wort, ohne sich vorher diplomatisch darauf hinzuweisen, dass sie sich gleich unterbrechen werden. So schwärmt Markus weiter von blauen Makita Akkuschraubern, während Daniel das japanische Konzept Wabi-Sabi erklärt.

Mich faszinieren Produkte, die durch eine gewisse Pattina erst zu dem werden, was sie sind. In japanischem Design wird dies oft mit einer dennoch stringenten und aufgeräumten Ästhetik verbunden.

Während in Japan und New York das Label die Etiketten «Kult» und «Geheimtipp» verliehen bekommt, ist der heimische Markt bereits ein paar Schritte weiter. Die grosse Anfangseuphorie ist vorbei. Ob das nun daran liegt, dass jeder Zweite schon eine im Schrank liegen hat, sich die Taschen zu Klassikern entwickelt haben oder dass die Mode derweil etwas anderes vorschreibt, sei dahingestellt. Gross zu kümmern scheint das Markus und Daniel nicht.

Wir wurden schon so oft totgesagt, da haben wir gelernt mit umzugehen. Und man lebt ja zum Glück nicht von denen, die einen als hip oder out deklarieren.

Die Schönheit des Unvollkommenen

Bis man das Unvollkommene an Markus und Daniel Freitag findet, muss man wohl mehr Zeit haben als ein Interview lang ist.

Ein schiefer Zahn oder ein beim Rasieren übersehenes Haar zählen noch nicht, sondern bewirken bei diesen Männern eher das Gegenteil. Da sitzen sie in ihren grau-blauen Hemden und mit ihren Frisuren, die so zufällig aussehen, aber für Zufall allein doch zu stimmig sind, und reden mit einer aufgeräumten, überlegten Eloquenz, die eine Fremdwörter-App nicht unsinnig erscheinen liesse (Stichwort: Rekontextualisierung des Joghurtbechers).

Ein wenig wirken beide wie aus dem Ei gepellt; vielleicht nicht aus dem weissen, scheinbar makellosen Ei aus der Fabrik, sondern viel eher aus einem, das man in der «organic» Abteilung im Feinkostladen bekommt. Authentisch, aber dennoch perfekt in Szene gesetzt. Beim Rausgehen unter den Füssen das orchestrale Wummern der Waschmaschinen, das ein bisschen klingt wie Leonard Cohens Anthem. «There is a crack in everything. That's how the light gets in.»

  • Bilder: Gian Marco Castelberg
  • Text: Olivia El Sayed
  • Übersetzung: Tessa Pfenninger
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