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Sarah's Bag – vom sozialen Projekt zum internationalen Erfolg

Marke: Sarah's Bags Markenmacher: Sarah Beydoun

Marke: Sarah's Bags

Markenmacher: Sarah Beydoun

Was, wenn Frauen in libanesischen Gefängnissen die Chance bekämen, sich ihren Weg zurück in die Gesellschaft zu erarbeiten, indem sie nähen, fädeln und sticken? Als Antwort auf diese Frage entstand «Sarah’s Bag».

14 Jahre später ist die Marke ein internationaler Erfolg und auch heute noch wird jede Tasche von Hand erarbeitet.

Leicht zu finden ist sie nicht, die pinke Tür. Sie liegt versteckt von der Hauptstraße in einem Hinterhof im geschäftigen Viertel Ashrafeya im Zentrum Beiruts.

Doch wer den Weg durch die schmale Gasse findet und an der Tür den alten Messingtürknopf in Form einer Hand schlägt, bekommt Einlass in das Paradies, zumindest wenn man eine Frau mit einem Hang zu schönen Taschen ist. Das Paradies hinter der pinken Tür heißt Sarah’s Bag.

Das Interieur ist atemberaubend schön, mit hohen Wänden, alten Fliesen und Art-Deko-Fenstern und -Lampen und bietet die perfekte Kulisse für die wahren Superstars hier: die Taschen der Designerin Sarah Beydoun. Alles begann, völlig ungeplant, vor 14 Jahren. Damals studierte Sarah Beydoun noch Soziologie in Beirut und schrieb für ihre Magisterarbeit über Prostitution im Libanon. Dafür arbeitete sie sechs Monate bei Dar El Amal (dt: «Haus der Hoffnung»), einer nicht staatlichen Organisation, deren Ziel die Rehabilitierung von ehemaligen Prostituierten und Strafgefangenen ist. «Durch sie bekam ich Zugang zu den Gefängnissen in Beirut und Tripoli», erzählt Sarah Beydoun. Ihr wurde durch die Arbeit bewusst, wie behütet sie selbst aufgewachsen war und wollte etwas tun, um diesen Frauen zu helfen.

«Ich wollte etwas finden, das sie selbst produzieren können und ich für sie verkaufe, damit sie ihr eigenes Geld verdienen können.» Und damit einen Weg aus der Prostitution und zurück in die Gesellschaft finden könnten.

Ich hatte keinen Business-Plan, aber ich wollte, dass dieses soziale Projekt ein Erfolg wird und deshalb musste ich diese Idee zu einem Geschäft machen.

Sie kaufte eine Leinwand, auf der das Bild einer Rose als Vorlage gedruckt war, kaufte Perlen und machte sich an die Arbeit.

Sie kalkulierte die Stunden, die sie für die Arbeit benötigte, die Kosten für das Material und brachte ihr Stück zu einem professionellen Handtaschen-Hersteller. Sarahs erste Tasche war geboren, und damit eine Idee. Sie zeichnete Muster auf Leinwand, brachte den Frauen im Gefängnis bei, wie man die Perlen aufnäht, bezahlte sie für ihre Arbeit und ließ die fertigen Stücke zu Handtaschen verarbeiten.

Die ersten zehn Taschen entstanden im Baabda Gefängnis in Beirut. Sarah Beydoun stellte sie an einem kleinen Stand auf einem Antik- und Handwerksmarkt in Beirut aus. Am Ende des Tages waren alle Taschen verkauft. «Ich hatte keinen Business-Plan, aber ich wollte, dass dieses soziale Projekt ein Erfolg wird und deshalb musste ich diese Idee zu einem Geschäft machen», erzählt sie. Ihre großen blauen Augen strahlen, wenn sie von den Anfängen ihrer Geschäftsidee spricht.

Eine Idee, die nicht nur sehr erfolgreich, sondern auch noch die Erfüllung eines Traums für die junge Frau war. Die kreative Arbeit mit den Frauen, der soziale Aspekt, die Entwicklung der Designs – Sarah Beydoun hat ihre Passion gefunden. «Im ersten Monat war ich völlig durch den Wind, ich konnte kaum schlafen, so aufgeregt war ich.»

Jede Tasche hat eine Seele. Jemand hat viel Zeit in dieses Stück investiert und wird direkt vom Kauf dieses Produkts profitieren.

Sarah Beydoun schloss sich mit ihrer Freundin Sarah Nahouli zusammen, mit der sie in den kommenden vier Jahren die Marke gemeinsam aufbaute.

Die Leute waren fasziniert von der Idee, dass zwei junge Frauen in die Gefängnisse gingen, um dort mit den Insassinnen zu arbeiten. Aber es war den Jungunternehmerinnen auch klar, dass Neugier alleine nicht ausreichen würde, um sich am Markt zu etablieren und die Kunden zu halten.

«Die Säulen unserer Marke sind bis heute zwei Dinge: Die soziale Komponente, nämlich Frauen zu ermächtigen und ihnen ein Handwerk beizubringen, mit dem sie arbeiten können und zweitens Produkte zu entwerfen, die modisch und elegant sind», erklärt die Designerin. Sarah’s Bag wuchs schnell. Auch die zweite Kollektion, die Sarah Beydoun und Sarah Nahouli noch in der Garage ihrer Eltern zeigten, wurde ein Erfolg. 2004 zog ihre Geschäftspartnerin nach Dubai und Sarah Beydoun mit Sarah’s Bag in die Geschäftsräume in Ashrafiya.

Heute arbeiten 200 Frauen für Sarah’s Bag, die in Handarbeit die Stoffe für die Taschen herstellen, Pailletten und Perlen aufsticken, stricken und weben. Sieben Handwerksbetriebe in Beirut, die sich auf die Verarbeitung von Handtaschen spezialisiert haben, verwandeln die Stoffe dann in hochwertige Taschen, jede ein Unikat. Die Produktion dauert bis zu drei Wochen, «abhängig davon, wie aufwändig das Stück ist», erklärt Sarah Beydoun. Pro Monat können so bis zu 800 Produkte entstehen. Ihre Produktpalette umfasst mittlerweile neben Taschen auch Kaftane, Hüte und Schmuck.

Von Beginn an waren meine Kundinnen meine Botschafter.

Sarah Beydoun beschäftigt noch viele Frauen aus der Anfangszeit. Die sind mittlerweile in ihre Dörfer zurückgekehrt, haben dort andere Frauen angelernt und sind zu Teamleiterinnen aufgestiegen, die Prototypen erstellen und Qualitätskontrollen durchführen. «Diese Frauen werden dadurch zu Personen, die Arbeit in das Dorf bringen, was ihre Position in der Gesellschaft völlig verändert und stärkt», erklärt Sarah Beydoun das Prinzip.

Jedes Team ist spezialisiert auf eine bestimmte Technik, manche fädeln Perlen auf, andere stricken, die nächsten weben. Die Frauen werden pro gefertigtem Stück bezahlt. «Jede Tasche hat eine Seele», sagt Sarah Beydoun. «Jemand hat viel Zeit in dieses Stück investiert und gleichzeitig wird diese Frau direkt vom Kauf dieses Produkts profitieren.» Das ist das Geheimnis. Jede Tasche ist ein hochwertiges und traditionell gefertigtes Luxusprodukt, das verbunden ist mit einem sozialen Aspekt. Mittlerweile hat Sarah’s Bag Fans auf der ganzen Welt. Bis 2009 verkaufte sie ausschließlich in der arabischen Welt, doch dann traute sich Sarah Beydoun den nächsten Schritt zu. «Ins Ausland zu gehen war eine Herausforderung», sagt die Designerin.

Mittlerweile stellt sie ihre neuesten Kollektionen zwei Mal pro Jahr auf der Fashion Week in Paris vor. Sarah’s Bag wird heute an 50 Orten der Welt verkauft, in Europa, Amerika, Asien und dem Nahen Osten sowie über den Online-Shop. Zu ihren Kundinnen gehören Königin Rania von Jordanien, Catherine Deneuve und Zaha Hadid. «Von Beginn an waren meine Kundinnen meine Botschafter», sagt die 41-Jährige. Sie schaltet kaum Anzeigen, dafür ist die Marke auf allen sozialen Netzwerken vertreten und ihre Kundinnen können auf Instagram unter dem Hashtag #tagthebag zeigen, wo und wie sie Sarah’s Bag getragen haben. Inspiration für ihre Designs findet Sarah Beydoun hauptsächlich in der arabischen Kultur. Die Tasche, die sich bis heute am besten verkauft ist ihre Kalligraphie-Tasche, die jede Saison neu interpretiert wird. «Diese Tasche hat Kultstatus», sagt Sarah Beydoun nicht ohne Stolz. Manche Taschen sind so aufwändig in der Produktion und so speziell, dass es eine Warteliste gibt.

So zum Beispiel bei der «Tauleh»-Tasche, einer Clutch aus Holz, die dem traditionellen Backgammon-Spiel nachempfunden ist und mit zwei goldenen Würfeln verschlossen wird. Bei den vielen Taschen, die sie bis heute entworfen hat, fällt es der Designerin schwer, ihr Lieblingsmodell zu benennen. «Man kann ja auch nicht sagen, welches seiner Kinder man mehr liebt», sagt die Mutter zweier Söhne mit einem Schmunzeln.

Die Tasche jedoch, mit der alles anfing, wird für immer einen speziellen Platz in ihrem Herzen haben. Damals kaufte Sarah Beydouns Mutter ihr das Erstlingswerk ab, um es ihr später zu schenken. «Zur Motivation», erzählt Sarah Beydoun, während sie einen großen, goldenen Rahmen aus einer Ecke ihres Büros hervorzieht. Die schwarze Tasche mit der rosafarbenen Rose hat dort ihren Platz gefunden.

  • Bilder: Dalia Khamissy
  • Text: Amira Sayed El Ahl
  • Übersetzung: Tessa Pfenninger
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