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Le Pain Quotidien – aus Zufall alles richtig

Marke: Le Pain Quotidien Markenmacher: Alain Coumont

Marke: Le Pain Quotidien

Markenmacher: Alain Coumont

Belegte Brote kann eigentlich jeder selber schmieren. Doch der Belgier Alain Coumont schmiert nicht nur, er hat daraus ein Geschäft gemacht. Seine aus über 100 Filialen bestehende Restaurant-Kette le Pain Quotidien liefert den Beweis, dass Passion gepaart mit Zufallsglauben zum Erfolg führen kann.

Die erste, frühe Kundschaft ist gegangen. Auf den Tischen bleiben leere Eierschalen, in den Brotkörben hier und da ein Croissant zurück. Im Bäckerei-Bistro Le Pain Quotidien am Pariser Marché St. Honoré schaut es um 11 Uhr aus wie in der Küche einer Großfamilie, die eilig den Frühstückstisch verlassen hat. Die Mitarbeiter nutzen die kurze Ruhe, um ihr Lokal wieder auf Vordermann zu bringen. Auch die Kaffeemaschine schweigt zum ersten Mal an diesem Tag. Statt ihrer beschallt leise klassische Flötenmusik den Raum. Mitten in den Frieden platzt mit wehendem Haar und Rollkoffer in der Hand Alain Coumont, der Gründer und Miteigentümer der inzwischen international über ein Franchising-System agierenden Restaurant-Kette. Er kommt direkt aus Brüssel, dem Stammsitz des Unternehmens. Am Abend fliegt er weiter nach Montpellier, seiner Wahlheimat. Letzte Woche war er in Mumbai, nächste Woche muss er nach Sao Paulo, wo er über den Standort der ersten brasilianischen Filiale entscheiden soll. „Ich reise viel“, sagt Coumont und zieht die hohe Stirn in Falten. Obwohl der 50-Jährige nur noch eine Minderheitsbeteiligung an seinem 1990 gegründeten Unternehmen hält, ist er noch immer zu 100% ins Tagesgeschäft involviert. Die Auswahl der Lagen seiner Restaurants gehört wie die Kontrolle der Dekoration, des Service und der Lieferanten zu seinem Job als Chief Creative Officer.

Vor allem anderen kümmere ich mich um das Produkt. Das ist das Wichtigste – egal in welchem Business.

Das Produkt, um das es im Le Pain Quotidien («Das tägliche Brot») geht, ist – wie der Name verrät – Brot. Genauer gesagt ein traditionelles Bauern- oder Sauerteigbrot, das ohne Hefezusatz gebacken wird. Vier verschiedene Sorten sind im Angebot: Der Klassiker ist aus Weizen, es gibt aber auch Dinkel-, Roggen- und Mehrkornbrot mit Rosinen. Dazu kommen jede Menge Gebäck und Kuchen. Die Produktion ist lokal organisiert. In jeder Stadt gibt es eine Zentralbäckerei für alle Filialen. Paris ist eine Ausnahme. Das Brot wird hier um fünf Uhr morgens aus Brüssel angeliefert. Eine eigene Bäckerei an der Seine wäre zu teuer. Das Geld gibt Coumont lieber für die Zutaten aus. Rund 90% aller Inhaltsstoffe der Pariser Backwaren stammen aus biologischem Anbau.

Bio ist bei uns kein Marketing-Gag wie bei anderen, die nur ökologischen Kaffee anbieten und ansonsten green washing betreiben. Unsere Zutaten sind teuer und wir verwenden viel Mühe und Zeit in die Suche nach den richtigen Lieferanten. Bio ist ein hartes Business.

Vor rund zehn Jahren hat Alain Coumont mit der Bio-Ausrichtung begonnen. „Ich lebte damals in New York, ernährte 10.000 Menschen pro Woche mit normalen Zutaten und kochte für mich selbst nur mit Bio-Produkten. Ich war ein Monster.“ Nach dieser Selbsterkenntnis stellte der Belgier in seinen Restaurants peu à peu die Zutaten auf ökologische Herkunft um. Heute sei kein anderer Konkurrent in der Branche so weit wie er, schätzt der drahtige Manager stolz und gestikuliert wild mit seinen schmalen Händen, denen man die Arbeit im eigenen Bio-Gemüsegarten und im eigenen Bio-Weinberg nicht ansieht. Rund 45 km von Montpellier hat sich der gelernte Koch, der aus einer Hotel- und Gaststättenfamilie stammt, zusammen mit Frau und Tochter in einem alten Bauernhaus angesiedelt. Restaurants gäbe es dort, auf dem Land, nicht, deswegen koche er selbst – für seine Familie und Freunde.

Ich habe einen fünfeinhalb Meter langen Tisch mit 16 Stühlen drum herum bei mir in der Küche stehen.

Der zuhause gelebte Gemeinschaftsgedanke ist auch im Konzept von Le Pain Quotidien fest verankert. In jedem Lokal steht ein großer, rustikaler Holztisch, um den sich die unterschiedlichsten Gäste zum Essen zusammen finden. Der „Gemeinschaftstisch“ existiert seit Bestehen der Firma.

„Wenn es diesen Tisch nicht gäbe, wären wir heute nicht da, wo wir sind“, urteilt der Kreativchef, der die Liebe zum Kochen von seiner Großmutter erbte und nach eigenen Aussagen im Alter von nur drei Jahren seinen ersten Apfelkuchen buk. Ein großer Tisch sei wie ein guter Film. Das Setting allein reiche nicht, wichtig seien auch die Schauspieler. Die Haupt-Akteure im Le Pain Quotidien sind, so der Gründer, die großen Brotlaiber, die Kaffeehaferl, der stimmige Service und das Fehlen von Coca Cola auf der Speisekarte. „Die ganzen kleinen Details ergeben ein stimmiges Gesamtkonzept.“ Dieses ist seit 20 Jahren unverändert und entstand aus reinem Zufall. Als Alain Coumont noch als Koch in Brüssel sein eigenes Feinkost-Restaurant unterhielt, fand er nicht das richtige Brot. Also buk er es selbst. Um die Ausgaben für den teuren Ofen zu rechtfertigen, eröffnete er eine kleine Back-Boutique. Der Laden hatte einen knarzenden Eichenboden, einen großen Tisch vom Flohmarkt plus ein altes Küchenbuffet. Diese Dekoration findet man heute in jedem Le Pain Quotidien auf der Welt wieder. „Einen Businessplan habe ich nie erstellt. Ich weiß gar nicht, wie man einen macht“, sagt der Erfolgsmanager, der in seinem Holzfäller-Karo-Hemd tatsächlich eher wie ein Öko-Bauer als ein Firmenchef aussieht.

Ich wollte mir damals nur ein billiges Hobby zulegen. Das war eine Art Boyscout-Kantine, gegründet mit einem Non-Profit-Hintergrund. Dass daraus ein rentables Geschäft wurde, verstehe ich bis heute nicht.

Coumonts Verwunderung über den eigenen Erfolg ist nicht gespielt, sondern authentisch. Für ihn zählen nicht die Rendite, sondern andere Werte: „Die Mitarbeiter sind unser Schlüsselelement. Egal, ob sie bei uns die Brote schmieren oder im Management arbeiten. Aber um gute Talente zu halten, muss man ihnen auch etwas bieten.“ Wachstum sei deshalb wichtig. Aber bitte ohne dabei den Planeten zu verschmutzen. Alain Coumont schiebt spitzbübisch die Brille auf die Nasenspitze und zwinkert mit den blauen Augen: „Wissen Sie, was mein ganz persönlicher Traum ist? Ich möchte die Tomate im Winter von der Speisekarte verdammen. Doch leider sind unsere Gäste noch nicht so weit, Gemüse zu genießen, wenn es wächst. Dabei ist das doch das größte Vergnügen überhaupt.“

  • Bilder: Kai Jünemann
  • Text: Barbara Markert
  • Übersetzung: Tessa Pfenninger
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