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Königliche Porzellan-Manufaktur

Marke: KPM Markenmacher: Jörg Woltmann

Marke: KPM

Markenmacher: Jörg Woltmann

Die Königliche Porzellan-Manufaktur ist eines von wenigen privat geführten Porzellanhäusern. Hier entwarfen schon Schinkel und Schadow. Die Berufe haben sich seit zweihundert Jahren kaum geändert. Dass dieses Kulturgut weiter existiert, ist Jörg Woltmann zu verdanken – und seinem Bauchgefühl.

Wer den Retter der Königlichen Porzellan-Manufaktur treffen will, muss die Verabredung auf den Vormittag legen. Nur dann, von halb neun bis halb eins, ist Jörg Woltmann in dem 140 Jahre alten Backsteingebäude mit den modernen, großen Fenstern und dem großzügigen, gepflasterten Innenhof anzutreffen. Hier, in der kaum befahrenen, fast vergessen wirkenden Wegelystraße direkt zwischen Tiergarten und der berühmten Straße des 17. Juni ist die KPM seit 1873 beheimatet. Jörg Woltmann liebt diesen Ort, er inspiriert ihn, doch kann er nur vormittags hier sein, nachmittags muss er zu seinem anderen Unternehmen – seiner Kreditbank. Seit dem 27. Februar 2006 macht er das so. An dem Tag übernahm der Unternehmer und Bankier Jörg Woltmann die Königliche Porzellan-Manufaktur Berlin als Alleingesellschafter. Nach 244 Jahren Manufakturgeschichte waren an diesem Februartag zwanzig Minuten entscheidend: Sofort kaufen? Oder insolvent gehen lassen und dann kaufen, wie es ihm seine wirtschaftlichen Berater nahegelegt hatten? Jörg Woltmann machte es wie immer, er entschied nach seinem Bauchgefühl. Und das sagte: Kaufen, jetzt. »Wenn so ein Unternehmen erst einmal insolvent ist, dann ist das ein Bruch in der Historie«, meint Woltmann. Damit endete 2006 eine turbulente Ära der Manufaktur, die einst 1763 von Friedrich dem Großen übernommen wurde und seitdem »Königlich« heißt. In den letzten Jahrzehnten hatten Miss­management und ständige Geschäftsführerwechsel die in dem Zeitraum größtenteils staatliche KPM gebeutelt, die Insolvenz stand unmittelbar bevor. Auch der Prinz von Preußen, dessen Finanzier Woltmann damals war und der durch den Erwerb der KPM an seine eigene Geschichte anknüpfen wollte, hatte sich nach zwei Jahren der Verhandlungen überfordert abgewandt.

Welcher Unternehmer bekommt schon mal die Chance, ein Kulturgut zu übernehmen?

Jörg Woltmann, 66 Jahre, ungefähr 1 Meter 70 groß, braune, locker zurückgekämmte Haare, dunkler Anzug, Krawatte, helles Einstecktuch, hatte bis dahin nur mit dem »schnöden, seelenlosen Geld« zu tun, wie er sagt. Die ersten großen Summen hatte er in den Siebzigerjahren als Unternehmens- und Finanzberater gemacht, 1980 wurde er Gründer der Allgemeinen Beamten Kasse Kreditbank, die heute über hunderttausend Kunden zählt. Für ihn war es der richtige Zeitpunkt, »sich diesen herrlichen Manufakturprodukten zu widmen«. Für den Urberliner »schon immer der Inbegriff des Schönen«, wurde bereits bei seiner Mutter und Großmutter sonntags aus Kurland-Tellern gegessen – dem KPM-Klassiker aus den 1790er Jahren. Woltmanns Finanzen erlaubten den Kauf, seine Frau sagte: »Wenn’s gut für dich und Berlin ist, dann machst du das«, und er fragte sich: »Welcher Unternehmer bekommt schon mal die Chance, ein Kulturgut zu übernehmen?« Woltmann sagt, die Motivation zu kaufen war rein patriotischer Natur. Er wollte das Unternehmen in der Stadt halten, es fit machen für die nächsten hundert bis hundertfünfzig Jahre. Das Luxushaus, für das von Schadow bis Schinkel zahlreiche renommierte Designer entworfen hatten. Mit ruhiger, langsamer Stimme erzählt er, dass er »all das hier« gebaut habe. Er zeigt auf den schwarzen, modern anmutenden Kubus mit der großen Fensterfront, in dem das KPM Café eröffnet hat, auf das dahinter liegende KPM-Museum und den KPM-Verkaufsraum. Durch die Schaffung öffentlicher Orte wie diesen wollte er die Berliner wieder an die Manufaktur heranführen, sie an ihre Existenz erinnern. Denn die großen Zeiten der Porzellanmanufakturen liegen lange zurück. Bei Häusern wie KPM lebt man von der Tischkultur, davon, dass die Menschen einander einladen, sich präsentieren – und bereit sind, hundert Euro für einen Teller auszugeben. »Gedeckte Tafeln wurden von Coffee to go ersetzt«, sagt Woltmann. Für Porzellan als Luxusprodukt war ab den Neunzigerjahren niemand mehr bereit, viel Geld auszugeben. »Grundsätzlich«, sagt Woltmann, »gibt es keine bedeutende Manufaktur, die schwarze Zahlen schreibt.« Nur ganz langsam sei ein Wertewandel spürbar. Handwerk und Manufakturen erleben eine Renaissance, die Menschen beginnen wieder in Beständigkeit und Qualität zu investieren. Die »Geiz ist geil«-Mentalität sei vorbei, sagt Woltmann. Und dennoch: Die großen Gewinne werden mit solch einer Manufaktur nie zu erzielen sein. »Man stößt an Kapazitätsgrenzen«, sagt Woltmann. »Wenn die gesamte Welt plötzlich KPM bestellen würde, wäre das für uns nicht zu leisten.«

Handwerk und Manufakturen erleben eine Renaissance, die Menschen beginnen wieder in Beständigkeit und Qualität zu investieren.

Was er damit meint, wird bei der Besichtigung der insgesamt 170 Arbeitsplätze sichtbar. Das sei der Moment, sagt Jörg Woltmann, in dem er demütig würde »vor all dem, was hier geleistet wird«. Im Wesentlichen haben sich in den vergangenen zweihundert Jahren die meisten Arbeitsweisen im Hause nicht verändert. Ob die Mitarbeiter in der Glasur, der Malerei, der Sortierung, noch immer arbeiten sie so wie ihre Kollegen vor über zweihundert Jahren. Alles wird von Hand gefertigt, jedes einzelne Stück insgesamt drei Mal kontrolliert, bevor es die Manufaktur verlassen darf. Auf die Reklamationsquote von 0,05 Prozent ist man bei KPM besonders stolz. Das Mantra, das über jedem einzelnen Arbeitsschritt hängt, lautet: Porzellan verzeiht keine Fehler. Denn jeder Fehler, und sei er noch so winzig, wird entdeckt und das entsprechende Stück aussortiert. Sich beeilen, schneller machen – so etwas funktioniert im Hause KPM nicht. Zeit ist hier relativ. Das liegt zum einen an der konzentrierten Stille, die in jedem Winkel steckt. Porzellan verzeiht keine Fehler, keine nervösen Hände, keine Zerstreutheit. Zum anderen liegt es an den Lebensläufen der Mitarbeiter. Zu KPM kommt man, um zu bleiben. Strategische Wechsel des Arbeitsgebers, die vermeintlich unverzichtbaren Eigenschaften Flexibilität und Mobilität – all das ist bei KPM nicht gefragt. Kürzlich, erzählt Woltmann, haben sie einen Ausstand nach fünfzig Jahren gefeiert. Seitdem konzentriert sich Woltmann auf seine Ziele. Das ist kurzfristig »eine schwarze Null am Ende des Jahres«. Langfristig will er »eine optimale Betriebsgröße erreichen und im positiven Ergebnisbereich liegen«. Sein Anspruch ist es, als beste Porzellanmanufaktur der Welt anerkannt zu werden. Die Konzentration auf den Export soll dabei helfen, auch Kooperationen mit Marken wie dem Luxuswagenhersteller Bugatti oder der italienischen Modefirma Bottega Veneta.

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Seit seiner Übernahme konnte Woltmann den Umsatz um etwa zwanzig Prozent auf zehn Millionen Euro im Jahr steigern. Dennoch, sagt er, könnte er stärker sein. Outlets, Sonderverkäufe – all das will er nicht. Als Alleingesellschafter muss Woltmann niemandem Rechenschaft ablegen, das sei sein großer Vorteil: »Für mich gilt: Am Ende ist die Ente fett.« Und bis dahin denkt er nicht daran, sich aus dem Arbeitsleben zurückzuziehen. Es ist die Neugierde, die ihn antreibt, die Freude daran, Dinge zu gestalten. »Ich arbeite eben gern«, sagt er, »was soll ich sonst machen? Auf dem Golfplatz im Kreis laufen?«

  • Bilder: Henning Bock
  • Text: Franziska Klün
  • Übersetzung: Tessa Pfenninger
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