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Le Labo – die Duftrevolution

Marke: Le Labo Markenmacher: Fabrice Penot

Marke: Le Labo

Markenmacher: Fabrice Penot

Die Idee, Parfums vor den Augen der Kunden frisch zu mischen, kam Fabrice Penot während einer Ausbildung in Grasse, der Welthauptstadt des Parfums. 2006 eröffnete der in den USA lebende Franzose die erste ‘Le Labo’ -Boutique – und legte damit den Grundstein für einen ungewöhnlichen Erfolg.

Im Ledersessel der im Vintage-Look gestalteten Parfum-Boutique ‘Le Labo’ an der Third Street in West Hollywood sitzt ein bleistiftdünner junger Mann in Jeans und lockerem T-Shirt-Hemd. Sein wuschliges, dunkelblondes Haar wird von einer verwaschenen Baseballkappe nur etwas gezähmt. Man könnte ihn für einen der in der Gegend häufig anzutreffenden Alternativrockmusiker halten, würde er nicht sofort aus dem Sessel springen und sich mit Bisou-Bisou als Fabrice vorstellen. Die Seele des Alternativrock, der erfolgreicheren Variante des Indie-Rock, zeigt sich bei Fabrice Penot, dem Mitbegründer des Parfumhauses ‘Le Labo Fragrances’ trotzdem schnell. «Eine Pressemappe? Nein, das haben wir nicht», erwidert er mit einseitig hochgezogener Braue auf die Anfrage nach einem Facts & Figures Infoblatt. Die Post-Punk-Attitüde «My way or the highway» wirkt bei Penot keineswegs überheblich, sondern durchaus erfrischend. «Eigentlich», gibt er dann zu, «ist es so, dass wir uns zu Beginn von ‘Le Labo’ gar keine PR-Profis leisten konnten. Im Rückblick hat sich das allerdings als gute Strategie erwiesen. Wir mussten ganz auf unser Produkt, und dass es für sich selber spricht, vertrauen.»

Philippe Starck sagte mir einmal «ich wünschte, ich hätte 'Le Labo' entworfen. Wer war denn euer Designer?» «Niemand», antwortete ich, «wir hatten gar kein Geld für einen Designer.»

«Das Produkt» besteht aus einer Palette von mittlerweile 11 aussergewöhnlichen, von den weltweit besten Parfumeuren – wie zum Beispiel Frank Voelkl oder Françoise Caron – entwickelten Düften. Sie treten als klares Statement gegenüber Massenparfums auf.

Die ‘Le Labo’ -Kreationen sind anders, komplexer, schwieriger als Warenhaus-Parfums, aber auch betörender und faszinierender. Oder wie Penot vergleicht: «Genau wie ein perfekter Mann oder eine perfekte Frau spätestens nach drei Wochen todlangweilig wird, haben auch «perfekte» Parfums so gar nichts Aufregendes.» In dieser Haltung zeigt sich auch Penots Vorliebe für die japanische Kultur, «besonders für die Wabi-Sabi Ästhetik, die das Unperfekte und Vergängliche zelebriert.» «Wir wollen und müssen nicht jedem gefallen», fährt er fort indem er einen Parfumstreifen in eine Tester-Flasche der neusten Kreation «Santal 33» taucht, eine neue Interpretation des amerikanischen Westens, und damit leicht dramatisch in der Luft herumwedelt. Genauso wenig anbiedern will sich die Verpackung – klassisch halbrunde Flaschen, schlichte, wenn auch gewichtige Schraubdeckel, naturweisse Etiketten, die als schnörkelloser Hintergrund für alte Schreibmaschinenschrift dienen. Unspektakulärer geht’s nicht. Auch das Konzept hinter der Namensgebung ist äusserst nüchtern – die Parfums werden einzig mit dem Hauptduft bezeichnet, gefolgt von einer Zahl, die alle Ingredienzen zusammenzählt. Von Fantasiegebilden, Traumwelten oder gar Romantik keine Spur. «Nichts soll vom Duft selber ablenken», sagt der ‘Le Labo’ -Gründer.

Neue Parfums lancieren wir nur dann, wenn wirklich alles dran stimmt – von der Komposition, über Haftbarkeit und Duftentwicklung bis zur Ausstrahlung. Auch wenn das hunderte von Modifikationen bedeutet und der Prozess Jahre dauert.

Umso theatralischer wirken die Handlungen, die Storemanager Justin hinter der Duftbar vollbringt.

Er hantiert in weissem Laborkittel und Latexhandschuhen mit Laborgläsern und Pipetten. Dann entnimmt er dem Kühlschrank aus Chrom und Glas ein Fläschchen hochkonzentrierter Parfumessenz ‘Rose 31’ und tröpfelt diese sorgfältig in ein Glas mit Alkohollösung, das auf einer Hochpräzisionswaage steht. Diesen Vorgang kommentiert Penot mit «das Mischverhältnis muss ganz genau stimmen».

Dann füllt Justin die Mischung sorgfältig in ein Parfumfläschchen. «Welcher Name darf aufs Etikett?», will er vom Kunden wissen. Dann druckt er dieses, versehen mit dem persönlichen Namen des Duftträgers, dem Abfüllort und einem Haltbarkeitsdatum auf einem kleinen Heimbürodrucker aus und klebt es präzise auf den Flakon. ‘Le Labo’ ist das völlig ungeplante Resultat einer Ausbildung, die Penot bei Hermès-Chefparfumeur Jean-Claude Ellena in Grasse absolvierte. «In einer Atmosphäre wie hier im Labor von Ellena, sinnierte des Meisters Lehrling über sein zukünftiges Projekt, «würden die Kunden am Verkaufspunkt in die faszinierende Parfumherstellung miteinbezogen.» Die direkte sinnliche Erfahrung mit Düften ist auch der Grund, weshalb heute in jeder ‘Le Labo’-Boutique und jedem ‘Le Labo’-Corner eine Box mit 40 natürlichen Parfumessenzen aufliegt. An den kleinen Fläschchen können die Kunden schnuppern, ihre olfaktorischen Kenntnisse erweitern und die Herkunft der Blumen oder Hölzer, die den Düften ihre besondere Note geben, erfahren. Am gleichen Lehrgang nahm auch Penots damaliger Arbeitskollege bei L’Oréal, Edouard Roschi, teil. Die beiden entwickelten im gleichen Team Marketingkampagnen für Armani-Parfums und merkten dort sehr schnell, dass sie gleiche Wertvorstellungen hatten. «Wir lästerten ständig über die Branche. Seelenlose, nach Marketingkonzepten entwickelte Massenparfums waren einfach nicht unser Ding. Und für Corporate Culture waren wir beide nicht geschaffen», blickt Penot auf die Zeit bei L’Oréal zurück. Also träumten die beiden im marketingdominierten Grosskonzern zusammengeschweissten Individualisten von Duftkreationen mit künstlerischem Ausdruck, die aus «Inspiration, Entdeckergeist und Kreativität» entstehen. Ähnlich wie die Nischen-Düfte der Editions de Parfums Frédéric Malle oder von Serge Lutens, aber noch kantiger, noch charaktervoller, noch fokussierter auf den Inhalt. Die Labor-Idee gab den zündenden Funken. Penot und Roschi schlossen noch in Grasse einen «Wir-machen-unser-eigenes-Ding»-Pakt. 2006 lancierten die beiden, mittlerweile in New York lebend, ‘Le Labo’. Ohne jegliche Fremdfinanzierung. Wenn man von ein paar kleinen Zustüpfen von Freunden absieht. «Wahrscheinlich hätten wir mit unserer komischen Idee auch gar keine Kapitalgeber gefunden», lächelt Penot. «Aber darum ging es ja nicht, sondern darum, unsere Unabhängigkeit bewahren zu können.»

Es war auch schnell klar, dass die ‘Le Labo’-Düfte nur über eigene Vertriebskanäle verkauft würden. «Unsere Geschichte und die Geschichte hinter den Kreationen können wir nur so unseren Kunden näherbringen.»

Es gibt nichts Traurigeres als ein toller Brand, der sich ausverkauft.

Aus einem kleinen Lokal an der Elizabeth Street in NoLita wurde die erste ‘Le Labo’-Boutique. «Zunächst zogen wir einen Architekten bei», blickt Penot zurück, «merkten aber bald, dass er nur viel kosten würde ohne jemals zu begreifen, was unsere Vision ist.» Also packten die ‘Le Labo’-Gründer selber an. Beim Umbau kam ganz unerwartet eine Blechwand mit Relief-Ornamenten zum Vorschein, die heute zusammen mit einem maskulin-industriellen Look die Identity der Boutique-Ausstattungen ausmacht. Die Vorliebe für industrielles Design hat Penot bereits in seiner Kindheit entwickelt.

Mein Vater arbeitete in einer Fabrik in einem kleinen Ort in Zentralfrankreich. Von der Fabrik-Ästhetik – vor allem dem Gusseisen – war ich absolut fasziniert.

Und dass Maskulinität sehr weiblich sein kann, wusste er von seiner Zeit bei Armani.

Deshalb auch sind die ‘Le Labo’-Düfte unisex. Auch wenn manche mehr auf der weiblichen und andere mehr auf der männlichen Seite liegen. Trotz Improvisation und bescheidenem Startkapital: Völlig konzeptlos ins Abenteuer gestürzt hat sich Penot nicht. «Ganz im Gegenteil», sagt er. «Wir haben ausgiebig über jedem Detail gebrütet. Schliesslich ist ‘Le Labo’ unser Leben und der Spiegel unserer Wertvorstellungen.» Mit solch egozentrischer Haltung «verkaufen wir vielleicht vier Parfums im Tag» rechnete er sich als frischgebackener Unternehmer aus und verkalkulierte sich damit gewaltig. Bereits nach zwei Monaten erreichte ‘Le Labo’ den ‘Break-Even’. Heute erzielt das junge Parfum-Unternehmen einen Jahresumsatz von über 5 Millionen Dollar, ist mit vier eigenen Boutiquen und 18 Store-Corners auf der ganzen Welt vertreten. Und ohne dass ein einziger Dollar ins PR und Marketing gesteckt wird, schreiben Lifestyle-Magazinjournalisten und -Blogger begeistert über die Düfte, reissen sich Hotels wie Ian Schragers Gramercy Park oder die Lifestyle-Kette «Anthropologie» darum, mit ‘Le Labo’ zusammenzuarbeiten, damit etwas vom Kultstatus auf sie abfällt. Den Erfolg erklärt Penot ganz einfach mit «wir sprechen zwar nur eine kleine Minderheit an, doch wer unsere Düfte mag, geht eine sehr enge, persönliche Beziehung mit ihnen ein.» So eng, dass rund 85% der Kunden der Marke treu bleiben. Eine Zahl, von der Marketingmanager nur träumen können. Fabrice Penot guckt auf seine Uhr. «Ich muss los», sagt er. In wenigen Stunden geht sein Flug zurück nach New York.

d«Ohne New York gäbe es ‘Le Labo’ nicht», sagt er beim Aufstehen.

In New York wird Neues und Innovatives mit offenen Armen aufgenommen. Träume kann man dort nicht nur träumen, sondern auch realisieren. Die Stadt gab mir jedenfalls das Selbstvertrauen dazu.

Der Parfum-Unternehmer im coolen Casual-Look dreht sich zur Türe und verschwindet mit in die Luft geblasenen Bisou-Bisou.

  • Bilder: Reto Caduff
  • Text: Simone Ott
  • Übersetzung: Tessa Pfenninger
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