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Alexander Schärer – eine Kugel schreibt Designgeschichte

Marke: USM Markenmacher: Alexander Schärer

Marke: USM

Markenmacher: Alexander Schärer

Im Schatten der berühmten Alpengipfel Eiger und Jungfrau produziert die Firma USM seit über einem halben Jahrhundert einen Designklassiker, der in Büros auf der ganzen Welt zu finden ist. Das Möbel, bestehend aus farbigen Blechen, Stahlrohren und verchromten Kugeln, kann vor allem eines: sich dem steten Wandel eines modernen Lebens anpassen.

Hunderte von hochglanz-verchromten Kugeln glänzen in der unscheinbaren Plastikbox um die Wette. Jede von ihnen misst im Durchmesser nur 25 mm und ist von sechs Gewindebohrungen durchstochen, und in jeder spiegelt sich die Deckenbeleuchtung in Form von kleinen Sternen. Die kleine Kugel präsentiert sich wie ein Schmuckstück, und dazu hat sie jedes Recht. Sie ist das Teil, das kiloschwere Stahl- und Blechelemente zusammenhält, der Geniestreich, dank dessen ein Schweizer Unternehmen heute noch immer rund 400 Mitarbeitende weltweit beschäftigen kann, und sie ist das Herzstück eines der berühmtesten Möbelsysteme der Designgeschichte.

USM Möbelbausystem Haller, kurz USM Haller, heißt das modulare Einrichtungsprodukt, das sich wie ein Chamäleon wechselnden Wohnstilen seines Besitzers anpassen und nahezu unendlich erweitert werden kann. Das aus Stahlrohren, Metallblechen und eben den Kugeln bestehende Möbel verwandelt sich mit wenigen Handgriffen von einem Sideboard in ein Regal. Es schmiegt sich unter schräge Decken und unterteilt zu große Flächen. Geht mal etwas kaputt, werden einzelne Elemente einfach ausgetauscht.

Ein Platz im New Yorker MoMA

Seine Flexibilität und langlebige Nutzung hat USM Haller im Jahr 2001 einen Platz im New Yorker Museum of Modern Art gesichert. Die Aufnahme in diese edle Sammlung erhob das modulare Möbel endgültig in den Rang eines Designklassikers. Dabei waren seine Anfänge aus der Not geboren.

Als Paul Schärer 1961 in das von seinem Großvater Ulrich 1885 gegründete Familienunternehmen einstieg, war aus der Schlosserei mit angeschlossener Eisenwarenhandlung eine schnell wachsende Firma für Fensterbeschläge geworden, die dringend ein neues Fabrikgebäude brauchte. Mit dem Neubau im Ort Münsingen, eine Viertelstunde von Bern entfernt, wurde der Architekt Fritz Haller beauftragt. Dieser entwarf ein funktionales Stahlbaugebäude, das beliebig erweitert werden und so mit der Firma mitwachsen konnte.

Sie hatten kein Möbel gefunden, das zur Leichtigkeit des Hauses passte. Also bauten sie es selbst.

«Mein Vater und Fritz Haller hatten damals kein Möbel gefunden, das zur Leichtigkeit des Hauses passte. Also bauten sie es selbst» erzählt Alexander Schärer, Vertreter der vierten Generation. «Die Architektur war damals noch offener als heute.» Sein Chefsessel steht am äußersten Ende eines weitläufigen Großraumbüros, das rund ein Drittel einer riesigen Halle einnimmt. Unter dem gleichen Dach befindet sich auch die Produktion, die nur durch eine modulare Stahl-Glas-Wand von den administrativen Abteilungen getrennt ist. Die Außenwände der Halle sind aus Glas und geben den Blick frei auf grüne Wiesen und das Bergpanorama des Berner Oberlandes mit den Gipfeln von Eiger und Jungfrau. Die berühmten Möbel unterteilen fast spielerisch die Büro-Halle und werden regelmässig neu angeordnet. «Sie sind so robust, dass sie mit allen Aktenordnern bewegt werden können», erklärt der Firmenchef mit Stolz.

Ein Firmensitz, der besser ist als jeder Showroom

Kein Showroom könnte die Vorzüge des berühmten Designklassikers besser repräsentieren als dieser, sich stetig veränderbare „Working Space“ am Firmensitz. Genau deshalb werden auch alle Vertreter und Händler der Marke in die Zentrale eingeladen. Hier werden Philosophie, Qualitätsanspruch und Wandelbarkeit des Produktes direkt greifbar. Wie wichtig das ist, zeigt die Historie. Alexander Schärer erzählt: «Nach der Patentierung im Jahr 1965 berichtete die Fachpresse über USM Haller. Durch einen solchen Artikel erfuhr Baroness Rothschild von unseren Möbeln. Sie suchte damals etwas Neues für ihre Bank in Paris. Sie kam, sah und orderte im großen Stil. Das war 1969. Hätte irgendeine kleine Schweizer Bank USM Haller bestellt, hätte vielleicht niemand in der Welt von unserer Erfindung erfahren.»

Durch den Großauftrag und die Präsentation der Möbel in der Pariser Privatbank wurde der Geniestreich aus dem kleinen Münsingen international bekannt. Viele andere Konzerne, aber auch Flughäfen, Universitäten und staatliche Administrationen statteten in den folgenden Jahrzehnten ihre Büros mit USM Haller aus. Heute stehen die modularen Möbel ebenso im Krankenhaus im japanischen Nagoya wie im Segelclub von St. Tropez. Auch wenn die professionelle Nutzung rund zwei Drittel des Umsatzes ausmacht, wächst der Anteil der Bestellungen für den privaten Wohnbereich stetig. Das ist vor allem dem aktuellen USM-Chef Alexander Schärer zu verdanken, der 1993 in den väterlichen Betrieb einstieg und die schwierige Aufgabe hatte, einen über 50 Jahre alten Designklassiker für die Zukunft fit zu machen.

Das Einzige, was sich noch nie geändert hat, ist die Kugel

«Außer der Kugel haben wir alle Teile des Systems schon ein- oder mehrmals verändert», sagt Schärer. «Bei Beginn war alles Handarbeit, heute erfolgt die Produktion nahezu vollautomatisch. Wir nutzen eine zweite Generation Bleche. Auch die Türen kamen erst später dazu, die Türscharniere sind mit den alten nicht zu vergleichen. Dennoch achten wir darauf, dass alle neue Teile in die früheren Systeme passen.» Diesen Spagat zwischen Neu und Alt nennt man bei USM „Rückwärtskompatibilität“. Da die Möbel nahezu unverwüstlich sind, ist man in Münsingen gewohnt, dass Kunden Jahrzehnte nach der Erstanschaffung ihre Möbel erweitern wollen. «Viele unserer Kunden haben noch Möbel aus den Siebzigern und bestellen 40 Jahre später neue.»

Alexander Schärer antwortet auf Fragen schnell und präzise. Er kennt sein Produkt in- und auswendig, denn er ist mit dem Möbelbausystem im wahrsten Sinne des Wortes groß geworden: USM Haller und der Erstgeborene Paul Schärers kamen im gleichen Jahr auf die Welt.

Stellt man ein Kunstwerk auf ein USM Haller, sieht man die Kunst und nicht das Möbel

Laufen lernte der kleine Alexander an einem USM Haller Caddy mit Rollen, und dass er später Ingenieur wurde, passt zur technisch orientierten Ausrichtung des Unternehmens, bei dem die Funktion über das Design gestellt wird. «Optisch ging es meinem Vater und Fritz Haller darum, alles auf das Nötigste zu reduzieren. Damit ergab sich automatisch diese minimalistische Form. Stellt man ein Kunstwerk auf sein USM Haller, sieht man die Kunst und nicht das Möbel, auf dem sie steht.»

Stahlmöbel als angewandte Kunst

Der heute 51-jährige Vorstandsvorsitzende ist weder ein Mann großer Worte noch großer Gesten. Das Bejubeln der eigenen Firma liegt ihm fern. Stattdessen äußert er Erstaunen, wie bekannt die Marke und wie hoch der Wiederverkaufswert seiner Möbel sei. Schärer verheimlicht auch nicht, dass die anderen Produkte des Hauses, wie die Tische „Kitos“, die Organisations-Boxen „Inos“ oder die 2016 lancierten „Privacy Panels“ für Sichtschutz und Schallabsorption nur einen geringen Teil zum Umsatz beitragen und vor allem dazu dienen, das Urprodukt zu ergänzen. Auch dass die durchschnittliche Auftragsgröße meist unter der 2000 Euro-Grenze liege, gibt der CEO ohne Umschweife zu.

Dabei bekommt man für 2000 Euro bei USM gerade mal ein Lowboard mit Einlegerahmen und Ausziehtür plus ein kleines Beistellmöbel. Der Designklassiker „made in Switzerland“ hat seinen Preis. Und an dem wird auch nicht gerüttelt.

In der Schweiz zu produzieren, ist auch eine Frage der Nachhaltigkeit

Eine Verlagerung der Produktion in Billiglohnländer stand niemals zur Diskussion. Stattdessen investierte Schärer im Jahr 2013 mehrere Millionen in eine neue Pulverbeschichtungsanlage am Firmenstandort. Noch immer kommt bei USM der Stahl aus Deutschland, wird jedes einzelne, neu produzierte Teil von einem Mitarbeiter kontrolliert, findet die Endmontage weitgehend per Hand statt.

«In der Schweiz zu produzieren, ist auch eine Frage der Nachhaltigkeit», sagt der Firmenchef und streicht sich eine Haarsträhne aus der breiten Denkerstirn. «Stahlmöbel überdauern Generationen, und unsere Produkte passen sich ohne Probleme auch künftigen Arbeitsplatzanforderungen an.» Neue Trends zu Homeworking, Co-Working-Spaces, die Verdichtung von Arbeitsplätzen, das Ansteigen der Mobilität, höhere Ansprüche an Ergonomie wie auch Wellness im Büro sind Themen, mit denen man sich Münsingen intensiv auseinandersetzt. Die Zukunft des Arbeitens bestimmt auch die Zukunft des Schweizer Unternehmens, denn noch immer wird USM Haller vor allem mit einer Nutzung im Büro gleichgesetzt. Doch gutes Design ist zeitlos, die modulare Anpassungsfähigkeit des Systems und die juristische Anerkennung als „angewandte Kunst“, die einen langfristigen Urheberrechtsschutz sichert, sind Punkte, die USM Haller einen festen und sicheren Platz im Markt der Möbel sichern. Und die Alexander Schärer helfen, seinen Designklassiker in die nächsten 50 Jahre zu führen.

  • Übersetzung: Tessa Pfenninger
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