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Delvaux – eine Marke älter als ihr Ursprungsland

Marke: Delvaux Markenmacher: Veronique Branquinho

Marke: Delvaux

Markenmacher: Veronique Branquinho

Belgien und Delvaux lassen sich nicht voneinander trennen: Die Marke wurde ein Jahr vor der Unabhängigkeit der belgischen Monarchie von Charles Delvaux ins Leben gerufen - das war 1829.

«Objets du Voyage», Reiseutensilien, hiess schlicht die Überschrift des Geschäfts. Ein Jahrhundert später kaufte Franz Schwennicke das Unternehmen, in dessen Besitz seine Nachfahren heute noch sind. Schwennickes Frau Solange übernahm in den Siebzigern die Firma, nachdem ihr Mann bei einer Hüftoperation unerwartet verstarb. So ging Solange Schwennicke als eine der ersten Business Frauen in die Geschichte Belgiens ein. Heute wird das Unternehmen von ihrem Sohn François und CEO Christian Salez geführt. Mit Veronique Branquinho als Artistic Director steht seit 2009 wieder eine starke Frau an der Spitze des Unternehmens.

Veronique Branquinho ist eine besondere Erscheinung: eine hochgewachsene, schlanke Frau mit geheimnisvoll dunklen Augen, deren Form sich keiner bestimmten Region der Welt zuordnen lässt, was an der flämisch-portugiesischen Abstammung der renommierten Designerin liegen mag. Obwohl Branquinho nie in Portugal lebte, empfindet sie eine innere Verbundenheit für ihr Vaterland, «als würde ich es von irgendwoher kennen.» Ihre Art ist aber eindeutig belgisch:

Belgier sind sehr bescheiden. Sie schätzen gute Qualität und Luxus, verspüren dabei aber keinerlei Bedürfnis, damit anzugeben.

Wenn Branquinho über ihre kreative Arbeit spricht, wird diese Bescheidenheit deutlich. Sie betont immer wieder, dass sie «mit Worten nicht so gut» sei und schon als Kind lieber gemalt oder getanzt hätte, um sich auszudrücken. Der Leidenschaft für das Geschichtenerzählen tut dies keinen Abbruch, die Sprache der Mode ermöglicht es.

Ich brauche keine Worte, sondern Farben und Formen, die sich aufeinander beziehen, Hinweise geben und Assoziationen auslösen.

Dass die Mode ihre Sprache werden sollte, wusste Branquinho in dem Moment, als sie im belgischen Magazin für Avantgarde-Mode «BAM» Kollektionen der berühmten «The Six of Antwerp» entdeckte. Ihre Eltern waren schwer davon zu überzeugen, dass die gute Schülerin ihr Leben der Mode verschreiben wollte statt, wie ihr Bruder, einen klassischen Weg einzuschlagen. Doch Branquinho fühlte sich von der Mode im wahrsten Sinne des Wortes angesprochen: «Das war eine Geschichte, die ich auf Anhieb verstand, ich konnte mich sofort identifizieren und wusste: Das will ich auch machen.» Inspiration für ihre Geschichten findet Branquinho vor allem durch das Reisen. Seit sie kein eigenes Label mehr führt, bleibt ihr dafür mehr Zeit als früher.

«Es ist wichtig für den Geist, seinen gewohnten Raum zu verlassen und die Welt zu erkunden.» Erst kürzlich bereiste sie die Galapagos-Inseln, Tahiti, Australien und Chile. Besonders ins Schwärmen kommt sie jedoch bei Transsilvanien, von wo sie eben erst zurück kehrte. «Ein Land wie im Märchen. Unheimlich. Aber es ergibt alles Sinn, wenn man dort ist.»

Reisen mit Stil

Auch die Produktpalette der Marke, chronologisch aneinandergereiht, erzählt auf ihre eigene Weise ein Stück belgischer Geschichte.

Delvaux ist ein Teil Belgiens. Die Marke war immer schon da, man wuchs quasi damit auf.

Zur Zeit der Gründung stand Europa ganz im Zeichen aufkeimender Mobilität und mit jedem neuen Verkehrsmittel eröffnete sich für das Unternehmen ein weiterer Markt.

Nach den wasserdichten, robusten Koffern für Kutsche und Schiff, die - beladen für Kolonialdienste, Luxusreisen oder Migrationen - vom Hafen Antwerpens ablegten, wuchs in der Bevölkerung mit dem Ausbau der Eisenbahnstrecken auch der Wunsch nach flachen Koffern, die sich auf Zugreisen einfacher und ohne Hilfe verstauen liessen. Dennoch wurden zur selben Zeit auch wuchtige Truhen produziert; die voluminösen Kleider der Epoche verlangten nach entsprechendem Stauraum (selbst Koffer, eigens angefertigt für den Transport von Perücken, finden sich im historischen Sortiment des Hauses).

Da die Compartiments früher in Transport- und Passagierwagen unterteilt waren, wurden erstmals kleine Taschen angefertigt, die den Damen erlaubten, ihre wichtigsten Utensilien auch während der Reise bei sich zu haben; die Idee der Handtasche, «le sac à main», war geboren. Als Franz Schwennicke 1933 das Geschäft von seinem Vorgänger übernahm, waren es bis weit in die Nachkriegszeit hinein vor allem Automobile und Flugzeuge, die die Produktpalette des Hauses prägten. Indem Delvaux sich diesen stets dem Wandel der Zeit unterworfenen Anforderungen stellte, gelang es dem Unternehmen, sich als moderne und zeitgleich traditionelle Marke zu positionieren.

Emanzipation in Form einer Tasche

Doch nicht nur technologische, auch gesellschaftliche Entwicklungen spiegeln sich in den Produkten: Die kurzen Henkel der Taschen wurden in den Siebzigern zur langen Umhängeschlaufe, die der Frau mehr Bewegungsfreiheit einräumte. Die Geschichte wiederholte sich knapp dreissig Jahre später mit der Kollektion «Deux de Delvaux»: Verändertes Design, unverändert die Absicht, der freien (i.e. pendelnden, berufstätigen, alleinerziehenden) Frau zwei freie Hände zu verschaffen. Dass Veronique Branquinho, die direkt nach ihrem Abschluss der Royal Academy of Fine Arts mit 24 Jahren ihr eigenes Label gründete und selbiges über zwölf Jahre lang führte, nun ihre Arbeit in den Dienst eines anderen stellt, mag überraschen. Doch vergleicht man die Werte der charismatischen Designerin mit denen der Marke Delvaux, wird schnell klar, warum die beiden ein «perfect match» sind, wie Branquinho selber sagt: «Würde ich für mich persönlich Taschen entwerfen, sie sähen genau so aus. Ausserdem», fügt sie an, «geht es mir immer um dasselbe, egal ob ich Kleider oder Taschen entwickle: Das Bild der starken Frau atmosphärisch umzusetzen.» Tradition, Handwerk, ein hoher Qualitätsanspruch und das Streben nach «Timelessness» sind das, was Marke und Designerin verbindet. Und der Fokus auf die Frau.

Wenn ich für Frauen designe, beginnt alles bei mir selbst, es ist ein Gefühl im Bauch, es ist ein Kampf, bis die Kreation geboren werden kann.

Auch in den Kampagnen für Delvaux begibt sich Branquinho auf die Suche nach diesem Bild der Frau, das Selbstbewusstsein und Weiblichkeit ideal vereint.

Mir gefällt das Bild isolierter Frauen: allein in der Nacht, in der Einsamkeit der Natur, aber umso stärker in ihrer Weiblichkeit und Individualität.

Das Streben nach Zeitlosigkeit

Der Umgang mit einer so traditionsreichen Marke gleicht oft einer Gratwanderung. Wie kann man traditionell und zeitgemäss sein, modern und dennoch trendungebunden? Wie ein zeitloses Produkt gestalten? Seit der Jahrtausendwende wurde Delvaux immer wieder von namhaften Designern wie zum Beispiel Laetitia Crahay, Kimiko Yoshida oder Didier Verraeren unterstützt und dadurch inspiriert. Sie arbeiteten alle temporär im «Studio Delvaux», dem kreativen Think Tank der Marke. Auch Modedesigner Bruno Pieters, der die letzten Männeraccessoires für Delvaux entwarf, war Teil davon. Branquinho ist «noch nicht dazu gekommen.»

Taschen für Männer sind in Planung. Aber first things first.

Es kullert Branquinho am Ende dieses Satzes ein amüsiertes Lachen über die Lippen, das ansteckt, obwohl der Grund dafür nicht offensichtlich ist. Ironisch oder ernst gemeint? Die Antwort sucht man in ihren schönen Augen vergeblich. Dafür aber gern.

  • Bilder: Gian Marco Castelberg
  • Text: Olivia El Sayed
  • Übersetzung: Tessa Pfenninger
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