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Kiton – von der Etikette zur Marke

Marke: Kiton Markenmacher: Antonio de Matteis

Marke: Kiton

Markenmacher: Antonio de Matteis

Antonio de Matteis trinkt seinen Kaffee ohne Zucker. «Der napoletanische Kaffee ist gut, er braucht keine Zusatzstoffe», sagt er trocken. Zu spät für uns, die bereits entleerten Zuckertütchen unbeobachtet verschwinden zu lassen. Matteis’ Blick ist hinter dem Gentleman-Lächeln etwas gehetzt.

Er lehnt im Ledersessel, der sich ihm widerstandslos anpasst, schaut auf die Uhr und hebt die Augenbrauen. Wohl der Startschuss.

Für das Interview ist Matteis aus Mailand angereist. Und dahin kehrt er zurück, sobald er hier fertig ist. Lange ist es noch nicht her, dass er zum CEO von Kiton berufen wurde.

Patron und Gründer Ciro Paone, sein Onkel, hat sich erst vor ein paar Jahren aus dem operativen Geschäft zurückgezogen, so diktierte es ihm seine Gesundheit. Aus seinen 18 möglichen Nachfolgern, darunter ausschliesslich Nichten, Neffen, Schwiegersöhne und eigene Kinder, wählte Paone insgesamt fünf aus - die fünf besten - die nun den Konzern Kiton leiten. Darunter sein Neffe Antonio Paone, der das Unternehmen in New York führt und in Neapel, dem Herzen des Unternehmens, sitzen seine Tochter Maria Giovanna und eben Antonio de Matteis in den Chefsesseln.

Qualität ist nicht vererbbar. Ein Verständnis für Qualität und Ästhetik hingegen ist lernbar.

Exklusivität rundum

Von Signor Kiton, wie Ciro Paone noch oft bezeichnet wird, lernte De Matteis vieles; darunter auch den Wert der Familie und die damit verbundenen Vorteile für das Geschäft: Die Firmenhierarchie ist identisch mit derjenigen der traditionell italienischen Familie. Sie ist unantastbar. Der Weg der Entscheidungen ist kurz und klar und so werden sie schneller umgesetzt als anderswo. Nichtsdestotrotz bringt der Generationenwechsel an der Führungsspitze von Kiton Neuerungen mit sich: Das Sortiment wird erweitert, dann und wann eröffnet ein neues Geschäft in einer weiteren Fashionmetropole, hinzu kommt ein Duft, der Ausbau der Kiton Frauenlinie - und dennoch geschieht nichts überstürzt. Die Grundidee der Marke, die Tradition dieser Luxusschneiderei in Neapel, soll als Kern bestehen bleiben.

Seit jeher galt diese Produktionsstätte als Garant für weltweit feinste und edelste Anzüge und Herrenhemden. Teuer, italienisch und exklusiv. Und an diesem Ruf soll sich nichts ändern.

«Das Beste vom Besten + 1», mit diesem Slogan bewarb die Marke 2009 und 2010 ihre Kollektionen. Es war die logische Folge des früheren Slogans «Das Beste ist einfach nicht gut genug». Wesentlicher Bestandteil dieses einen Extras ist die Exklusivität.

Wir nähen nicht einfach unsere Etiketten in ein bestehendes Produkt. Wir kreieren es von Grund auf. Nur so kann es unseren Erwartungen entsprechen.

Selbst die einzelnen Elemente, die zum Endprodukt führen, sind exklusiv: Die Stoffe werden eigens für Kiton produziert. Eine andere Marke, die denselben Stoff verwendet, ist somit ausgeschlossen. Am Saum eines jeden Stoffballens findet sich das Versprechen sogar eingewoben: «Produced exclusively for Kiton». An der letztjährigen New York Fashion Week gab de Matteis ausserdem bekannt, das Unternehmen «Carlo Barbera» aufgekauft zu haben. Das passt: Der namhafte Stoffproduzent setzt bei der Produktion seiner edlen Tuche nur auf Wolle, Mohair und Kaschmir.

25 Stunden, 45 Schneider

Durch die Fabrikhallen von Kiton führt Francesca Capotosti, die Assistentin von de Matteis. In hohen Stiefeln und im kurzen Kiton Kleid hastet die frischgebackene Mutter gertenschlank und auf auch für Nichtmütter beneidenswerten Beinen durch die Räumlichkeiten und erzählt in einem rasanten Tempo, was mit den für Kiton gefertigten Stoffen hier passiert. 25 Stunden braucht es insgesamt, bis ein Anzug fertig genäht ist. Und die Devise ist ganz klar: Arbeitsteilung. «So verliert man nie das Auge fürs Detail», lacht sie. In der grössten aller Hallen arbeiten hunderte von Schneidern und Näherinnen. In Gruppen sitzen sie um Tische herum, die Beine gekreuzt, mit Stoff über den Knien, und nähen. Vor ihnen Fadenspulen, das ein oder andere batteriebetriebene Küchenradio und Trinkflaschen, die sie für die langen Tage im künstlichen Licht mitgebracht haben. An den Tischbeinen: Heiligenbildchen und Fussballhelden. Während die einen damit beschäftigt sind, Knopflöcher zu stanzen, bügeln andere einzelne Stoffteile, damit diese von wieder anderen von Hand zusammengefügt werden können. Capotostis dunkelbraun gelocktes Haar wippt im schnellen Takt ihrer Bleistiftabsätze sprungfederngleich auf und ab, während sie im Gehen weitererzählt.

In 45 Schritten entsteht ein Anzug. Und jeder einzelne Schritt wird von einer anderen Person ausgeübt.

Arbeiten mit eigenen Massstäben

Während sie spricht, liest sie E-Mails, und reagiert gekonnt auf die erfreuten Rufe aus allen Ecken: «Ciao, Franci, ciao!» - hie und da ein anerkennender Pfiff, Komplimente, die sie gar nicht mehr hört, weil sie schon wieder eine Station weiter ist.

Besonders schnell passiert sie die zwei Tische mit den Nähmaschinen. Sie passen nicht ins wohlbehütete Bild der «Alles-von-Hand» Philosophie. Benötigt werden sie aber einzig dafür, zwei Einzelteile zusammenzufügen, bei denen ein flexibler Saum nicht nötig ist – was an nur gerade einer einzigen Stelle der Fall ist. Manuelles Nähen birgt den ausschlaggebenden Vorteil, dass der Saum der Anzüge flexibler bleibt. Er passt sich so mit der Zeit dem Körper seines Trägers an.

Zurück in de Matteis’ Büro: die Leidenschaft dieses Mannes für seine Marke grenzt an Sturheit. Die Konkurrenz interessiert ihn nicht. Kiton arbeitet mit eigenen Massstäben. Werbung interessiert in nicht. Das Produkt und sein Wert sind bekannt. Und obwohl er viel reist: Andere Städte inspirieren ihn nicht.

Ich will da etwas bewegen, wo ich bin. Diese Stadt mag ihre offensichtlichen Probleme haben, aber sie ist meine Heimat.

Von möglichem Scheuklappenverhalten will er nichts wissen. Kiton ist das Beste, warum also nach links und rechts schauen? Das lenkt nur ab.

  • Bilder: Gian Marco Castelberg
  • Text: Olivia El Sayed
  • Übersetzung: Tessa Pfenninger
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