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Leyla Piedayesh – ein Phantast auf dem Boden der Realität

Marke: Lala Berlin Markenmacher: Leyla Piedayesh

Marke: Lala Berlin

Markenmacher: Leyla Piedayesh

Nur drei U-Bahnstationen vom Alexanderplatz entfernt steht das grösste Gründerinnen-Zentrum Europas. Eigentümerin des Modellprojektes in der Anklamer Strasse in Berlin Mitte ist die Frauengenossenschaft WeiberWirtschaft eG. Sie bietet der Initiativkraft, dem ökonomischen Potenzial und dem Unternehmertum von Frauen seit 1996 einen nährhaften Boden. Gefördert und gebündelt entwickelte sich so ein Standort für Chefinnen, an welchem bereits 250 Unternehmen gegründet wurden.

Eine der Gründerinnen eines solchen Unternehmens ist Leyla Piedayesh, Kopf, Herz und Mutter des Modelabels Lala Berlin.

Ausgehend vom Prozentanteil Frauen im Betrieb könnte man Leyla Piedayesh als überambitioniert bezeichnen: Ganze 100% beträgt die Frauenquote. Mit der Genossenschaft hat dies aber nichts zu tun.

Die einzige Bedingung, die diese nämlich stellt, ist eine Frau an der Spitze des Unternehmens. «Es wäre mir theoretisch auch freigestellt, 98% Männer einzustellen», erklärt Leyla Piedayesh und rührt in ihrem Earl Grey. Falscher Ehrgeiz ist es aber genauso wenig: «Es hat sich einfach so ergeben, dass wir nur Frauen sind.

Ich glaube, dass Frauen in der Form, wie wir hier arbeiten, besser miteinander klarkommen. Und ich habe festgestellt, dass die Männer dem, was wir hier so abarbeiten, nicht gewachsen sind.»

Auch dem darauffolgenden Schmunzeln gelingt es nicht ganz, die Ernsthaftigkeit aus dem dunklen Gesicht zu vertreiben. Und sie fügt an: «Wir haben vier Stück probiert: Der eine hatte ein Burnout, der andere ist hier nicht durchgekommen, einer hat gekündigt und einer ging dann auch von selbst. Also Männer haben es hier nicht ausgehalten.»

Ich glaube schon, dass Frauen eine andere Kapazität haben. Keine bessere, eine andere.

Dann steht sie auf, diese zierliche Person in dieser grobmaschigen Jacke, und geht.

Sie will erst die Fotos gemacht haben. «Damit das vorbei ist.» Aus dem Nebenzimmer dringen fortan vereinzelt Sätze, die teils dem Fotografen, teils der Luft gewidmet sind.

«Ich bin ernst, nicht böse. Aber immer blöd lächeln geht mir auch auf’n Sack. Und wenn ich nicht lache, sehe ich halt böse aus. So.» Dann rumpelt es. Stühle werden geschoben, Stifte eingesammelt. «Aber sieht das nicht gruselig aus, mit meinen Medikamenten hier auf’m Schreibtisch? Und den Laptop, den kann man wegmachen, ja.» Dem erblassten Gesicht des Fotografen ist zu entnehmen, dass Leyla eben alles ausgesteckt hat, ohne irgendwas zu speichern oder auszuschalten. «Der sollte doch weg sagtest du?» fragt sie verwundert. «So. Zack, weg.»

Sie positioniert sich auf dem Schreibtisch und verzieht den Mund. «Gut. Ich zeig dir jetzt mal mein Gesicht, wenn ich gar keine Reaktion mache.» Stille. «Siehst du – ganz ernsthaft sieht das aus! Aber dafür kann ich nichts. Ich muss jetzt einfach die Mundwinkel anheben, ja? So? Anders kann ich nicht.»

Luxus freie Zeit

Es war im Januar 2004, als Lala Berlin die erste Strickkollektion auf der Premium in Berlin präsentierte.

Inzwischen gilt die Mischung aus Großstadt-Couture und High-End-Strick als Erkennungsmerkmal für die Marke, die vom ursprünglichen Berliner Label zum international begehrten Fashion Brand geworden ist. Lala Berlin ist heute in mehr als 60 Läden weltweit erhältlich und wächst seit der Entstehung kontinuierlich. Inzwischen sind es «schon paarundzwanzig» Angestellte, die mit der Gründerin zusammen an immer wieder neuen Kollektionen arbeiten. Wachstum ist gut, denn Leylas Zeit ist knapp, und sie mag die Aussicht auf mehr davon.

Ich bin ein optimistischer Phantast: Ich bin total realistisch, aber man muss sich Realitäten auch wünschen, dann gehen sie in Erfüllung.

Und ihr Wunsch für Lala? «Dass ich noch mehr Leute ins Boot holen kann, die mich entlasten. Irgendwann werde ich so auch wieder mehr Zeit für mich haben. Ab einem gewissen Punkt wird Zeit zum Luxusgut.»

Ihre Nichtarbeitszeit verbringt sie am liebsten mit ihrer Tochter. Und mit Schlafen. «Und in letzter Zeit spiele ich ganz gern Solitaire, das ist so stumpf, banal, meditativ. Und Yoga mache ich viel.»

Inspiration aus dem Innern

Das klingt alles nicht unbedingt so, wie man sich die durchschnittliche Modeschöpferin vorstellt. Reisen, Laufstege, Shows – was ist damit? Leyla ist anders. «Ich will nicht viel reisen. Einer der grossen Vorteile des Internets ist ja, dass man sich nicht mehr bewegen muss.

Shows sehe ich mir am liebsten online an. Und für Museen und Inspiration muss ich auch nicht in andere Städte reisen, davon gibt’s hier genug. Selbst Strassen anderer Städte kann man sich ja im Netz angucken. Theoretisch könnte ich mich für meinen Job auch mit Internet in eine Zelle sperren.»

Ich hab so viel Bewegung in meinem Geist und im täglichen Leben, dass ich den Stillstand gut finde.

«Und manchmal ist es auch genug, die Sonne anzugucken und tief einzuatmen, das reicht auch, um einen freien Geist zu bekommen.» erklärt Leyla.

Und ihr freier Geist ist wichtig, um das zu finden, wonach Leyla Piedayesh strebt: «Die Gelassenheit und die Ruhe in dir selber, die Zufriedenheit mit dem, was du tust und wer du bist. Und dass du dich nicht nach irgendwas sehnst, was du nicht hast.»

Ein Stück weit transportiert diese Einstellung auch die Marke Lala Berlin: Wohlfühlen soll man sich darin, frei und uneingeschränkt, damit man tun und lassen kann, was man will. «Das heisst jetzt nicht, dass wir hier alles Revolutionäre sind und vor die Barrikaden gehen und Leute bespucken, aber dass ich natürlich umsetzen kann, was mir gefällt und ein wenig auch das, was in mir drin ist. » Dafür braucht Leyla keine Vorbilder.

Ihr gefallen zwar Marken wie Balenciaga und sie liebt Christopher Kane, doch Inspiration findet bei ihr woanders statt.

Ich bin schon weit davon entfernt zu sagen: Fashion ist jetzt das Nonplusultra und bringt mich jetzt dahin, wo die Erfüllung meines Lebens liegt. Es gibt weitaus Wichtigeres im Leben als Konsum.

Schon als Kind gab sich Leyla keinen Illusionen hin.

Während andere in poster-behangenen Zimmern von Jungs aus der Bravo träumten, redete sie in Gedanken lieber mit Regierungschefs und versuchte so, den Krieg im Iran besser zu begreifen. «Ich war auf allen Protesten. Das war damals mein Beschäftigungsfeld, das waren meine Nachtträume zwischen 9 und fünfzehn.» Genauer kann sie sich daran nicht erinnern, aber in dieser Zeit kam sie aus dem Iran nach Deutschland. Und während sich später die inzwischen erwachsenen Bravo-Kinder selbst aufs Cover träumten, arbeitete Leyla bei MTV als Redakteurin. Aber sie machte schnell die Erfahrung, dass nach Tiefsinnigkeit an einem Ort wie jenem lange gesucht werden muss.

Doch, ich bin schon manchmal auch begeistert. Wenn man so bodenständig ist, ist das einfach nur ein bisschen schwieriger.

«Die Geschichten waren alle gleich. Nur Billy Corgan und Sade – die fand ich super. Die zwei haben auf jeden Fall Eindruck hinterlassen. Kylie Minogue hatte auch was, die war süss, und die hatte auch so ne Tiefsinnigkeit. Aber sonst... Nein, alles zu hohl.» Leyla Piedayesh braucht Inhalt, und die Suche danach führte sie offensichtlich dahin, wo sie wahre Inspiration findet: in sich.

  • Bilder: Gian Marco Castelberg
  • Text: Olivia El Sayed
  • Übersetzung: Tessa Pfenninger
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