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Fabre – Handgemachtes für Hände

Marke: Maison Fabre Markenmacher: Familie Fabre

Marke: Maison Fabre

Markenmacher: Familie Fabre

Den Handschuhmacher Fabre gibt es seit fast einem Jahrhundert, doch erst seit kurzer Zeit findet man seine erlesenen Produkte auf den Seiten von Modezeitschriften wieder. Nach einer wechselhaften Firmengeschichte, die vom Auf und Ab des Handschuhs in der Mode zeugt, kämpfen heute in der vierten Generation zwei entschlossene Brüder mit einer klaren Luxus- und Mode-Strategie erfolgreich gegen warme Winter und handschuhlose Sommer an.

Solange Pinaud fixiert durch ihre Brille hindurch das knallrote Leder in ihren Händen. Ohne den Blick zu wenden, greift sie nach rechts und dreht sanft das Rad ihrer antiken Nähmaschine.

Sofort saust die Nadel für drei klitzekleine Stiche herab und durchbohrt das samtig weiche Material, dann hält Solange inne und schiebt das Leder ein paar Millimeter nach vorne. Die Sisyphusarbeit nennt sich Piqué-anglais-Naht und Solange gehört zu den wenigen, die sie in Perfektion beherrschen. Mit 68 Jahren sollte die weißhaarige Dame längst in Rente sein. Sie ist es auch, sie helfe nur immer wieder mal aus – in dem Betrieb, in dem sie ihr ganzes Berufsleben verbrachte. Seit 45 Jahren sitzt Madame an exakt diesem Platz, exakt dieser Nähmaschine. Missratene Handschuhe kennt sie nicht. «Ausschuss? Haben wir kaum.» Solange arbeitet beim Handschuhmacher Fabre in Millau.

Das kleine, verschlafene Städtchen mit 20.000 Einwohnern im Südwesten Frankreichs galt einst als Hauptstadt der Handschuhe. Damals, als Damen ohne das modische Accessoire nicht ordnungsgemäß gekleidet waren, ratterten hier in über 60 Werkstätten ganze Hundertschaften von Nähmaschinen. Heute sind davon fünf Unternehmen übrig. Fabre ist der zweitälteste Handwerksbetrieb und der einzige, der noch in Hand seiner Gründer ist. Die vierte Generation, bestehend aus den Brüdern Jean-Marc und Olivier, versucht mit einer Handvoll Mitarbeiter in einer Zeit zu bestehen, in der Handschuhe schon lange kein modisches Muss mehr sind. Nur zehn weitere Angestellte arbeiten neben Solange in Fabres Atelier.

Die meisten sind Frauen, die mit museumsreifen Gerätschaften hantieren oder per Hand Stickereien anfertigen. Im Eingangsbereich stapeln sich Pappkartons und Holzkisten, auf denen Post-its kleben mit handschriftlichen Bemerkungen wie „Phyton bordeaux“ oder „Schlange haselnussbraun“. Gleich neben der fertigen Ware tropft es von der Decke. An der Rückwand des Ateliers füllen alte Garnspulen ein Schrankregal. Manche haben bereits Staub angesetzt. Jean-Marc Fabre, im Betrieb zuständig für die Produktion: «Wir brauchen nur kleine Mengen wie sie heute kaum noch einer verkauft, also heben wir alles auf.» Durch die hohen Fenster scheint die milde Herbstsonne, ein zarter Ledergeruch strömt durch den Raum. Neben den monoton-anheimelnden Tackern zweier Nähmaschinen ist es ganz still. Die Herstellung von Handschuhen erfordert höchste Konzentration, auch wenn die Mitarbeiter ihre Handgriffe blind beherrschen. Bis auf eine Auszubildende sind alle seit Jahrzehnten im Betrieb. Die meisten nähern sich der Rente oder machen wie Solange auch danach noch weiter. Freiwillig, weil sie ihren Arbeitgeber schätzen und irgendwie zur Familie gehören.

Die Geschichte der Familie beginnt mit Etienne, der sich 1924 auf Handschuhe aus weißem Leder der Zicklein spezialisiert, die rund um Millau herum auf den Hochweiden grasen. Etiennes Business beginnt zu laufen, als der zweite Weltkrieg ausbricht, in dem einer seiner beiden Söhne, Louis, ums Leben kommt. Dessen Zwillingsbruder Denis heiratet Rose, die ab 1947 erst nur mithilft und dann die Leitung übernimmt. Ihre Enkel verfallen ins Schwärmen, wenn sie von ihrer energiegeladenen Oma sprechen: «Sie ist wie auf Red Bull. Großmutter war damals die einzige Firmenchefin am Ort. Sie hatte zwar kein Wahlrecht, aber dirigierte 350 Mitarbeiter.» Unter der Autodidaktin blüht die Firma auf. Von Reisen bringt Rose neue Modell-Ideen mit, sie kooperiert mit Hermès, Dior oder Yves Saint Laurent und verkauft die eigene Linie bei Harrod’s in London und Saks in New York. 2000 Modelle hat das Haus in diesen glorreichen Tagen im Angebot, pro Woche werden 1200 Tierhäute verarbeitet. «Damals verschickten wir unsere Handschuhe nach ganz Europa», schwelgt die heute 93-Jährige in Erinnerungen.

Madame Pompidou fuhr zusammen mit Madame Funès im Rolls Royce vor und lud den Kofferraum voll.

Rose Fabre sitzt dezent geschminkt und frisch frisiert auf einem kleinen Schemel neben Solange und hält mit ihrer langjährigen Mitarbeiterin ein Schwätzchen. Den Gehstock hat sie lässig an die Stanzeisen-Maschine gelehnt. Die alte Dame schaut gerne im Atelier vorbei und ihr Wort zählt noch immer: Sie gibt ihren Segen, als ihr Sohn Louis in den 70er und 80er Jahren Teile des einstigen Ateliers in Mietwohnungen umwandelt und die Produktion auf Sicherheitshandschuhe umstellt. Mit einem zusätzlichen Auftrag für die Armee navigiert Louis Fabre den Betrieb durch die Handschuh-Krise, die für die meisten Mitbewerber das Ende bedeutet. Doch Louis’ Kampf ums Überleben der Firma reibt ihn auf. Als sein Sohn Olivier sich 1997 entschließt, seinen Berufstraum Politjournalist an den Nagel zu hängen, gibt der Vater ohne Zögern die Führung ab. Jean-Marc und Olivier übernehmen die Firma in schweren Zeiten. Der Armee-Auftrag bricht weg, neue Geschäftsideen sind gefragt. Durch einen Zufall lernt Olivier einen Designer von Yves Saint Laurent kennen. «Von ihm habe ich alles über Farbe gelernt. Er hat uns auf einen neuen Weg gebracht. Den der Mode und des Luxus.»

Die Neuorientierung in Richtung Prêt-à-Porter ist gewagt. «Wir mussten vieles umstellen, jahrelang nur investieren und uns mühsam ein Image aufbauen.» Mit Messebesuchen, Kooperationen mit Nachwuchsdesignern, einem Bestseller namens „Auto“, Exklusivmodellen für Lady Gaga und Beth Ditto sowie sehr viel persönlichem Einsatz aller gelingt die Kehrtwendung. Fabre macht 2010 bei zwei Mio. Umsatz erstmals wieder Gewinn. Zwei eigene Läden in Paris dienen als Schaufenster für neueste Kreationen. Namhafte Modedesigner wie Ann Demeulemeester, Walter van Beirendonck, Carven und der gefeierte Haute-Couture-Stylist Stéphane Rolland greifen inzwischen auf das Knowhow des kleinen Betriebs aus Millau zurück.

Unsere Kunden dürfen niemals Anlass zu Klagen haben.

Nach der Eroberung des heimischen Marktes will Fabre wieder international werden. Überall, wo es kalt ist, sollen Boutiquen entstehen. «Für die nächsten Jahre planen wir Neueröffnungen in Moskau, Peking und New York», erklärt aufgeregt wie begeistert Olivier Fabre. Der 39-Jährige hat von der Großmutter den Elan geerbt und übernimmt als PR-, Verkaufs- und Marketingchef die Rolle des Troublemakers, der ständig mit neuen Ideen kommt. Seinen Bruder Jean-Marc, 45, nennt er nur „Mister No, der Bremser“. Doch aktuell hat Jean-Marc in seiner Funktion als Rohstoff-Einkäufer und Buchhalter den schwierigeren Job zu meistern. Durch die europäische Wirtschafts-Krise wird in Ländern wie Spanien und Portugal weniger Fleisch verzehrt, die Preise für Leder, insbesondere Lammleder, sind um das Dreifache gestiegen. Weil Handschuhmacher nur eine Saison haben, wird außerdem jeder milde Winter zum Cash Flow-Problem. «Wenn dann Firmen wie Chanel oder Louis Vuitton klingeln und mit einem Scheck winken, werden viele schwach. Sie verkaufen ihre Firma und geben das Savoir Faire an die Luxuskonzerne», grummelt Jean-Marc. Auch bei den Fabres klopfte einst Louis Vuitton an. Mit einem Großauftrag. Die Fabres sagten nein und sind stolz darauf. «Wir wären nicht bereit gewesen und sind es auch heute nicht.» Zwischen 24.000 und 26.000 Handschuhe verlassen jährlich das kleine Atelier. Verkaufen könnte Fabre rund ein Drittel mehr.

Bei uns werden alle Handschuhe noch per Hand wie vor 100 Jahren gefertigt. Alles, was wir produzieren, geht in den Verkauf, unser Lagerbestand ist Null.

Warum nicht einfach die Produktionsmenge erweitern? «Weil man keine Handschuhmacher mehr findet. Es gibt keine Ausbildungsstätten.» Sechs Monate dauert die Anlernung an einen Produktionsschritt. Dazu kommt: Nach Millau will kaum jemand ziehen. Nach langer Suche haben die Fabres endlich einen Ersatz für ihren lang gedienten Zuschneider gefunden. Olivier Fabre: «Die nächsten Jahre müssen wir mit selbst ausgebildeten Heimwerkerkräften überbrücken. Aber mein Traum wäre, eine Handschuhmacher-Schule ins Leben zu rufen.» Dort könnte dann Solange dem Nachwuchs die englische Naht beibringen: drei Stiche, innehalten, das Leder wenige Millimeter nach vorne schieben, drei Stiche... und immer so fort.

  • Bilder: Kai Jünemann
  • Text: Barbara Markert
  • Übersetzung: Tessa Pfenninger
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